Leere bei Leerverkäufen

EU-Parlament verbietet zwei spekulative Finanzprodukte

  • Kay Wagner, Straßburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein neues EU-Gesetz sieht ein Verbot bestimmter Finanzgeschäfte vor. Hochverschuldete Euro-Staaten sollen dadurch endlich aus der Schusslinie von Spekulanten genommen werden.

Das Europaparlament hat am Dienstag mit großer Mehrheit eine Verordnung angenommen, die es Teilnehmern der Finanzmärkte erschweren soll, auf Staatsbankrotte und Kursverluste von Aktien zu spekulieren. Ziel des neuen Gesetzes soll es sein, die Stabilität der Börsen zu sichern und Länder mit hoher Staatsverschuldung aus der Schusslinie der Finanzmärkte zu nehmen.

Die Verordnung besteht aus zwei zentralen Punkten. Zum einen soll ein Marktteilnehmer mit sogenannten Kreditausfalloptionen (Credit Default Swaps, CDS) für Staatsanleihen nur noch dann handeln dürfen, wenn er tatsächlich einem Staat einen Kredit gewährt hat beziehungsweise indirekt daran beteiligt ist. Diese Regelung soll im Herbst 2012 in Kraft treten. »Es ist im Sinne des Erfinders, dass Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen nur für Anleger gedacht sind, die auch Staatsanleihen halten. Alles andere ist Spekulation, die unkontrollierbare Wirkungen entfalten kann und deshalb zu Recht eingedämmt wird«, ließ sich gestern der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) in einer Pressemitteilung zitieren. Im Falle Griechenlands habe der Handel mit CDS, denen gar keine Kreditleistungen zugrunde gelegen haben, die Spekulation auf eine Zahlungsunfähigkeit des Landes immer weiter angefacht.

Zum anderen sollen ungedeckte Leerverkäufe in der EU verboten werden. Bei diesen Geschäften verspricht ein Spekulant, Wertpapiere an einem bestimmten Termin in der Zukunft zu einem festgelegten Preis zu verkaufen. Zur Zeit des Vertrags besitzt er diese Wertpapiere aber gar nicht. Seinen Gewinn erreicht der Spekulant dadurch, dass er die Wertpapiere, die er zu dem festen Preis verkaufen will, viel billiger kaufen kann. Er profitiert also von fallenden Kursen. »Gemäß der neuen Verordnung müssen ungedeckte Leerverkäufe bis zum Ende des jeweiligen Handelstages mit den entsprechenden Wertpapieren unterlegt sein. Ansonsten drohen den Verkäufern Strafzahlungen«, erklärte der SPD-Europaparlamentarier Udo Bullmann diese neue Regelung.

Mit dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe sollen die europäischen Börsen vor Kurseinbrüchen geschützt werden, die durch die wirtschaftlichen Daten nicht zu erklären sind. Dagegen soll das Handelsverbot mit rein spekulativen Kreditausfallderivaten einen Schutz für hoch verschuldete EU-Staaten, vornehmlich der Euro-Länder, bieten. Im EU-Parlament hatte bis zuletzt eine breite Mehrheit von Bürgerlichen, Sozialisten und Grünen diese Regelungen unterstützt. Beim Ministerrat, also bei den Vertretern der EU-Regierungen, trafen sie allerdings auf Widerstand. »Im Rat stand Deutschland am Anfang alleine für das Verbot«, berichtet Sven Giegold, EU-Abgeordneter und Finanzexperte der Grünen. »Der Kompromiss ist auch ein Sieg für das Europäische Parlament, das sich von Anfang an für den Einschluss solcher Spekulationsgeschäfte mit Staatsanleihen in die Finanzmarktregulierung eingesetzt hat.« Staaten wie Italien und Spanien hatten sich dagegen bis zuletzt dafür stark gemacht, dass es Ausnahmen vom Verbot mit dem Handel von spekulativen Kreditausfallversicherungen geben sollte. »Das verstehe ich bis heute nicht, weil wir ja durch diese Regelungen gerade diese von Schwierigkeiten bedrohten Staaten schützen wollen«, sagte der Grüne Europaparlamentarier Pascal Canfin, der den Gesetzestext federführend betreut hatte, auf einer Pressekonferenz. Als Kompromiss steht jetzt in der Verordnung, dass es diesen Handel durchaus wieder geben kann, wenn nämlich ein Staat dies ausdrücklich wünscht und gegenüber der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA auf Grund von festgelegten Kriterien begründen kann.

Vor allem die britische Regierung zweifelte die Berechtigung von ESMA an, nationalen Aufsichtsbehörden Vorschriften machen zu können. Eine Klage gegen die gestern angenommene Verordnung ist deshalb nicht auszuschließen. Ansonsten soll sie de facto noch dieses Jahr nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten. Kommentar Seite 4

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