Wärme aus der Grube
In Zwickau wird ein alter Steinkohlenschacht angebohrt, um einen Hochschulcampus zu beheizen
In Zwickaus Untergrund ist es gemütlich warm. In den Stollen, in denen bis vor 33 Jahren Steinkohle abgebaut wurde, herrscht deutlich mehr als Zimmertemperatur. »25 Grad Grad warm dürfte das Wasser sein, das in die Hohlräume eingedrungen ist«, sagt Uwe Röder vom sächsischen Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement. Er leitet ein Projekt, bei dem versucht wird, diese Wärme zu nutzen: Das Zwickauer Grubenwasser könnte in Zukunft den Campus der Westsächsischen Hochschule beheizen. Den Anfang soll ein Technikum machen, das 2012 fertig wird.
Noch gibt es keinen Zugang zum »Heizungskeller«: Erst ab Anfang 2012 soll das Grubensystem angezapft werden. Dazu muss eine Bohrung in einen Blindschacht niedergebracht werden, der sich in 625 Metern Tiefe im »Planitzer Flöz« befindet. Um den Gang zu treffen, sei »äußerste Präzision« notwendig, sagt Röder. In den nächsten Wochen wird zunächst direkt neben einer großen Kreuzung und in Sichtweite des Rohbaus für das Technikum ein »Bohrkeller« errichtet, von dem dann mit einem mobilen Bohrgerät der Vorstoß in die Tiefe gewagt wird.
Ob dieser von Erfolg gekrönt wird, ist durchaus nicht gewiss, räumt Röder ein. Er hofft, dass der Blindschacht in den alten Bergkarten so präzise eingezeichnet wurde, dass die Bohrung ihr Ziel trifft. Unsicher ist zudem, ob das Grubenwasser auch von passabler chemischer Qualität ist. Schließlich soll es über Jahre hinweg Wärmetauscher durchströmen, ohne dass diese von Ablagerungen verstopft werden.
In den Austauschern wird die Wärme des unter Tage gewonnenen Wassers an einen Heizkreislauf übertragen, der in einer nur 250 Meter langen Leitung bis in das Technikum geführt wird. Wärmepumpen erhöhen dort die Temperatur auf 40 Grad und erlauben es so, den Bau auch im tiefen Winter gut zu beheizen.
Trotz der Ungewissheiten stößt das Vorhaben auf großes Interesse; schließlich ist Erdwärme, wie sie in Zwickau genutzt werden soll, eine der umweltfreundlichsten Energiequellen. Zwar verbrauchen die Förder- und Wärmepumpen Strom. Der Energiebedarf beträgt aber nur ein Fünftel dessen, was beim Beheizen der Gebäude mit Heizöl benötigt würde, sagt Röder. Das Projekt wird deshalb als einziges in Sachsen aus einem Programm der Bundesregierung zur Energieeffizienz gefördert. Die Verantwortlichen beim Bund heben den Pilotcharakter des Zwickauer Vorhabens hervor, bei dem das geothermische Potenzial alter Bergbauanlagen genutzt wird: »Vergleichbare Nutzungen bestehen bisher nicht«, heißt es in der Projektbeschreibung. Mit Interesse wird der Fortgang der Arbeiten deshalb nicht nur in Zwickau selbst verfolgt, wo auch weitere Gebäude mit Erdwärme beheizt werden könnten. Auch in den Kohlerevieren des Saarlandes und im Ruhrgebiet rechnet Röder mit Anwendungsmöglichkeiten.
Auf Wohlwollen dürfte ein Erfolg auch in der Landespolitik stoßen: In ihrem im Oktober 2011 vorgestellten Entwurf für ein Klima- und Energieprogramm gibt Sachsens Staatsregierung das Ziel aus, CO2-Emissionen staatlicher Liegenschaften, wozu Hochschulgebäude zählen, bis 2020 um 23 Prozent zu senken. Dazu solle der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung auf fünf Prozent erhöht werden.
Ob das in Zwickau gelingt, ist offen. Noch sind die Beteiligten mit Vorbereitungen beschäftigt, zu denen auch die Information der Einwohner gehört, die für den 1. Dezember ins Rathaus geladen sind. Dort sollen das Geothermie-Vorhaben erklärt und Fragen beantwortet werden. Zudem werden in der Innenstadt die Grundwasserstände sehr genau dokumentiert. Schließlich will man vermeiden, dass das Abzapfen von Grubenwasser für Bewegung im Untergrund sorgt. Ob die dortige Erdwärme künftig den Studenten einheizt - die Frage soll, so hofft Röder, in einem Jahr beantwortet sein.
625 Meter Tiefe
Heizung per Geothermie nutzt den Umstand, dass die Temperaturen in der Erde mit zunehmender Tiefe ansteigen. In Zwickau wird das Grubenwasser aus 625 Metern emporgepumpt. In Wärmetauschern wird die Energie auf einen Heizkreislauf übertragen. Wärmepumpen, eine Art umgekehrter Kühlschrank, erhöhen die Temperatur noch. (hla)
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