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Zutaten gab's früher nur in der Apotheke

In Pulsnitz in der Oberlausitz werden seit über 400 Jahren Pfefferkuchen in Handarbeit produziert

  • André Micklitza
  • Lesedauer: 4 Min.
Ingo Holling mit seinem rollenden Verkaufsstand
Ingo Holling mit seinem rollenden Verkaufsstand

In Pulsnitz duftet es das ganze Jahr über nach edlen Gewürzen. Die Kleinstadt zwischen Bautzen und Dresden ist die einzig verbliebene Hochburg des Pfefferkuchens in Deutschland. Die Tradition reicht über 400 Jahre zurück und hat alle Stürme der Zeit überdauert.

Es sind nur zwölf Pfefferküchlermeister, die das Privileg genießen, dem seltensten Handwerk im Land nachzugehen. Nach dem Ende der DDR sollte es ausgerechnet die freie Marktwirtschaft sein, die den Oberlausitzer Pfefferküchlern fast zum Verhängnis wurde. Das Vollhandwerk des Pfefferkuchenbackens kannte man in westdeutschen Amtsstuben nicht. Also sollte es auch im Osten endgültig von der Bildfläche verschwinden. Die Bürokraten rechneten wohl nicht mit dem ausdauernden Widerstand: Neun Jahre währte der Kampf mit dem Amtsschimmel, bis sich schließlich sogar die Bundestagsabgeordneten mit den Pfefferküchlerrechten befassten. Seit 1997 sind diese nun in der Deutschen Handwerksordnung verbrieft.

Altmeister Günter Holling hat die Backstube inzwischen an seinen Sohn Ingo übergeben, der die Familientradition jetzt in vierter Generation weiterführt. Im rollenden Verkaufsstand stehen sie auf Lausitzer Märkten oft im Wechsel hinter der Theke. So auch alljährlich auf dem Cottbuser Weihnachtsmarkt, »... aber erst ab dem 3. Adventswochenende«. Ingo Holling unterbreitet ein Sortiment von 30 Produkten. »Die beiden Renner sind dabei die gefüllten Spitzen und die Kirschstäbchen«.

Gut Ding will Weile haben. Die Pulsnitzer Pfefferkuchen sind keine industrielle Massenware, wie die Lebkuchen der Nürnberger Konkurrenz. »Der Pefferkuchenteig reift vor der Verarbeitung für mindestens sechs Wochen in Holzfässern«, sagt Holling. Angeblich rührten die Pulsnitzer Küchler einst, wenn ihnen eine Tochter geboren wurde, noch am selben Tag einen Teig an: Für die Pfefferkuchen zur ihrer Hochzeitsfeier! Das ist kein Geflunker, verrät Ingo Holling: »Denn unser Lagerteig aus Mehl, Honig oder Sirup ist auch ohne Konservierungsstoffe unbegrenzt haltbar. Dabei hilft die Milchsäuregärung.

Erst nach der Reifung werden die Backtriebmittel Hirschhornsalz und Pottasche sowie Gewürze wie Anis, Fenchel, Kardamom, Koriander, Muskatnuss, Zimt und Mandeln oder Nüsse dazugegeben. All die wertvollen Zutaten machte die Pfefferkuchen seit jeher zu einem Backwerk, welches für die Gesunden eine Speise war, um bei Kräften zu bleiben und für Kranke, um wieder zu Kräften zu gelangen. Deshalb nannte man ihn früher auch Lebenskuchen, später zu Lebkuchen abgewandelt. Die einst wertvollen und kostbaren Gewürze wurden als Arznei nur von Apothekern verkauft und hießen damals allgemein »Pfeffern«, so dass das Pulsnitzer Backwerk bis heute Pfefferkuchen heißt.

Käufer und Besucher kommen das ganze Jahr über nach Pulsnitz, die meisten wegen der würzig-süßen Leckereien. Vor allem aus hygienischen Gründen können sie nicht alle ihre Nasen in die Backstuben stecken. Das große Interesse bewog die Stadtväter, eine Pfefferkuchenschauwerkstatt zu eröffnen. In Räumen neben dem Rathaus gewinnt man nun den Eindruck, wie es um 1900 in einer Pfefferküchlerei ausgesehen hat. »Hier können Sie 365 Tage im Jahr selbst Pfefferkuchen backen und verzieren, wenn Sie sich vorher anmelden«, empfiehlt Siegmar Schubert im Pulsnitzer Haus des Gastes.

Die Pulsnitzer backen das ganze Jahr über die leckeren und gesunden Pfefferkuchen - und werden hier in Ladengeschäften angeboten oder auch gern per Post versandt. Meister Ingo Holling, gibt den Käufern gern auch ein paar Tipps zum richtigen Umgang mit dem Gebäck. So sollten Pfefferkuchen kühl (10-15°C) und trocken, jedoch keinesfalls im Kühlschrank, aufbewahrt werden. Angebrochene Packungen sollte man wieder verschließen, um Feuchtigkeitsverluste zu vermeiden. Und um hart gewordenen Pfefferkuchen wieder zahnfreundlich zu machen, legt man sie einfach für drei Tage zusammen mit zwei Äpfeln in ein verschließbares Gefäß - dann wird er wieder weicher.

Falls der Schokoladenüberzug eine hellbraune oder hellgraue Verfärbung bekommt, ist das lediglich ein optischer Schönheitsfehler, der durch Wärme entsteht. Geschmacklich ändert sich dadurch gar nichts.

Infos: www.pfefferkuchenmarkt.de

Haus des Gastes, Am Markt 3, 01896 PulsnitzInfos: nd-Leserreisen, Franz-Mehring-Platz 1,

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