Giftgas gegen Demonstranten?
Schwere Vorwürfe in Kairo / Neuer Regierungschef ernannt
Kairo (dpa/nd). Die Sicherheitskräfte in Kairo sollen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz mit einem Giftgasgemisch attackiert haben. Die Staatsanwaltschaft prüfe entsprechende Vorwürfe gegen die Polizei, teilten Justizkreise am Freitag mit. Für die Untersuchung seien Tränengasgranaten aus Munitionsdepots der Polizei und leere Granathülsen von der Straße eingesammelt worden. Während der jüngsten Proteste in Kairo und anderen Städten wurden seit Freitag vergangener Woche laut Gesundheitsministerium 41 Menschen getötet, davon 36 in der ägyptischen Hauptstadt.
Drei Tage vor Beginn der Parlamentswahlen versammelten sich am Freitag wieder Zehntausende auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Die Proteste richten sich gegen den Obersten Militärrat, der das Land seit der Entmachtung von Präsident Husni Mubarak im Februar lenkt. Am Freitagsgebet auf dem Platz nahm auch Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei teil, der als Präsidentschaftskandidat antreten will.
Zu einer zweiten Demonstration von Unterstützern des Militärrates versammelten sich Tausende im Stadtteil Abbassija. Angehörige des Militärrates hatten zuvor jedoch öffentlich erklärt, sie hätten mit dieser Kundgebung nichts zu tun und befürworteten sie auch nicht. Nach Einschätzungen ägyptischer Beobachter stecken hinter diesem Demo-Aufruf die Überreste des Mubarak-Regimes.
Zehntausende kamen zu einer dritten Kundgebung unter dem Motto »Rettung der Al-Aksa-Moschee«, die von Islamisten organisiert wurde. Die Islamisten rechnen sich bei der Parlamentswahl, die in drei Phasen ablaufen und sich bis Januar hinziehen wird, gute Chancen aus.
Der Militärrat hatte am Donnerstagabend Kamal al-Gansuri, der unter Mubarak von 1996 bis 1999 Regierungschef gewesen war, zum Ministerpräsidenten bestimmt. Er hat nun den Auftrag, eine neue Übergangsregierung zu bilden. Die letzte Übergangsregierung hatte nach den jüngsten Massenprotesten ihren Rücktritt eingereicht.
Etliche Aktivisten hatten in den vergangenen Tagen erklärt, sie hätten lieber Baradei als Ministerpräsidenten gesehen. Allerdings ist es möglich, dass er diesen Posten, der als Schleudersitz gilt, gar nicht will. Dadurch könnte nämlich seine Kandidatur bei der für Juni geplanten Präsidentschaftswahl gefährdet werden.
Unterdessen dringt die US-Regierung angesichts der Gewalt in Ägypten auf eine zivile Regierung. »Wir sind überzeugt, dass Ägyptens Übergang zur Demokratie weitergehen muss, die Wahlen schnell abgehalten werden müssen und alles unternommen werden muss, um Sicherheit zu gewährleisten und Einschüchterung zu verhindern«, teilte das Weiße Haus am Freitag mit.
Vor allem sei wichtig, dass die Regierungsgewalt »so bald als möglich« vollständig vom Militär an Zivilisten übergehe.
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