Warten auf den Paukenschlag
Gera feiert den 120. Geburtstag von Otto Dix - das dafür geplante Kunsthaus ist jedoch nicht fertig
Gera. Es sollte ein Paukenschlag werden. Pünktlich zum 120. Geburtstag ihres großen Sohnes Otto Dix (1891-1969) wollte die ostthüringische Stadt Gera am 2. Dezember ihr neues Kunsthaus eröffnen. Zum Projektstart 2010 schwärmte Oberbürgermeister Norbert Vornehm (SPD) von einem »glanzvollen Höhepunkt des Dix-Jahres«, der weit über Thüringen hinaus ausstrahlen werde. Doch 500 Tage später dominiert allenthalben Ernüchterung.
8,5 Millionen Euro
Seit geraumer Zeit schon ringen die Verantwortlichen für das Kunsthaus Gera um eine tragfähige Finanzierung. Denn der Umbau der einstigen Landeszentralbank zum modernen Museum kostet immerhin 8,5 Millionen Euro. Dafür soll sich in dem Bau nach Plänen des englischen Stararchitekten David Chipperfield die Nutzfläche gegenüber der städtischen Kunstsammlung in der Orangerie fast verdreifachen. Über einen neuen Termin für die Eröffnung wird in Gera noch nicht einmal spekuliert.
Stattdessen rüstet sich für die große Geburtstagsausstellung nunmehr die Orangerie. Unter dem Motto »Otto Dix: retrospektiv« sollen von Freitag an annähernd 200 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken zu Themen wie Porträt, Eros, Tod und Landschaft sowie Krieg, Gewalt und Allegorie die verschiedenen Schaffensphasen des Künstlers dokumentieren. Zudem sind visuelle Projektionen von »Verschollenen Meisterwerken« vorgesehen. Als Otto Dix am 2. Dezember 1891 in Untermhaus geboren wurde, war der heutige Stadtteil von Gera noch ein eigenständiger Ort. Das Geburtshaus neben der Marienkirche beherbergt seit der Restaurierung und Erweiterung 1991 eine der größten Dix-Sammlungen in öffentlicher Hand.
Zur grafischen Sammlung in den Geraer Beständen gehören Skizzenbücher aus der Jugendzeit mit Motiven aus der Thüringer Umgebung, Aquarelle und Zeichnungen der 20er und 30er Jahre, der Kriegszyklus von 1924 mit 50 Radierungen und die einzigartigen gezeichneten Feldpostkarten des Kriegsfreiwilligen Dix aus dem Ersten Weltkrieg. Pünktlich zum Geburtstag kommen fünf Schenkungen des Dix-Neffen Volkmar und zwei Dauerleihgaben aus Geraer Privatbesitz hinzu. Unter den Gemälden im Dix-Haus ist »Der Heilige Christophorus IV« von 1939 von besonderem Gewicht. Das großformatige und farbmächtige Bild ist im Gesamtwerk des Künstlers eine der sechs Varianten vom Christusträger, der das Kind sicher durch die Wirren der Zeit trägt.
Vielfältiger Bestand
Damit reagierte Dix metaphorisch auf die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch die Nationalsozialisten. Diese hatten ihn schon kurz nach ihrem Machtantritt 1933 als einen der ersten Künstler von der Dresdner Kunstakademie verwiesen und im Jahr darauf mit Ausstellungsverbot belegt. Gera ermöglicht mit der Vielfalt seiner Dix-Bestände über das Jubiläum hinaus die Auseinandersetzung mit einem heterogenen Lebenswerk, das Impressionismus und Expressionismus ebenso umfasst wie Verismus und Neue Sachlichkeit.
Künftig soll der Künstler, der am 25. Juli 1969 in seiner langjährigen Wahlheimat Hemmenhofen am Bodensee starb, in Gera stärker in Beziehung zu anderen Künstlern dargestellt werden. Deshalb sind die Erwartungen an das neue Kunsthaus groß - trotz der aktuellen Ungewissheiten.
Die Ausstellung »Otto Dix: retrospektiv« in der Geraer Orangerie wird bis zum 18. März zu sehen sein; dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr
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