Pinochets Schatten
Früherer US-Militärattaché in Chile angeklagt
Für Ray E. Davis wird es eng. Gegen den Ex-Marinekapitän und Chef der Militärmission in Chile 1973 wurde eine Klage wegen Mordes eingereicht. Zugleich beantragte Richter Jorge Zepeda, der Oberste Gerichtshof möge ein Auslieferungsgesuch an die USA richten.
Davis habe die Ermordung des Journalisten Charles Horman (31) und des Studenten Frank Teruggi (24) nicht verhindert, »obwohl er aufgrund seiner Verbindungen zu chilenischen Militärs dazu in der Lage gewesen wäre«, heißt es in Zepedas Anklageschrift. Außerdem bestehe der Verdacht, der Militärattaché habe »eine Liste subversiver US-Bürger in Chile« an die einheimischen Behörden übergeben.
Der mittlerweile 85-jährige Davis wohne in den USA, meint Zepeda, sein genauer Aufenthaltsort blieb jedoch zunächst unklar. Gegenüber der »New York Times« bezeichnete er im Jahr 2000 die beiden linken Aktivisten als »Teil des Problems« in Chile. Ebenfalls verantworten muss sich der bereits wegen anderer Verbrechen verurteilte Ex-Militär Pedro Espinoza.
Die jungen US-Amerikaner, die mit der Regierung des gestürzten Sozialisten Salvador Allende sympathisiert hatten, waren seit 1972 vom Geheimdienst CIA und chilenischen Agenten beschattet worden. Horman, der als Drehbuchautor bei der Staatsfirma Chile Films arbeitete, wurde am 18. September von chilenischen Unifomierten ermordet, darunter Espinoza - eine Woche nach dem von General Augusto Pinochet angeführten Militärputsch. Zuvor war er mit einer Freundin im Seebad Viña del Mar. Dort sahen die beiden US-Kriegsschiffe, ein weiteres Zeichen für die Zusammenarbeit mit den Putschisten.
Nach seiner wöchentlichen Visite auf dem nahe gelegenen Marinestützpunkt Valparaíso nahm Davis die beiden Landsleute nach Santiago mit. Kurz darauf wurde Horman in seiner Wohnung festgenommen und verschleppt. Teruggi starb im Nationalstadion von Santiago.
Interne US-Dokumente, die Ende der 90er Jahre auf Anweisung von Präsident William Clinton freigegeben wurden, hatten bereits die Beteiligung von US-Militärs an den Mordfällen nahelegt. »Der US-Geheimdienst könnte eine unglückliche Rolle bei Hormans Tod gespielt haben«, heißt es in einer Einschätzung des Außenministeriums aus dem Jahr 1976.
Peter Kornbluh vom privaten Forschungsinstitut National Security Archive bezeichnet die Anklage Zepedas 38 Jahre nach den Verbrechen als »dramatische Wende«. Er sei auf die Beweise des Untersuchungsrichters gespannt, sagte Kornbluh. Nach amtlichen, im August nach oben korrigierten Angaben wurden während der Diktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) mindestens 3225 Menschen ermordet und über 37 055 gefoltert.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.