Ein bärbeißiger Genießer

16 Spiele, 16 Siege: Die unbezwingbaren Kieler Handballer erfreuen Trainer Alfred Gislasson

  • Erik Eggers, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Lächeln war verräterisch. Die schlichte Frage an Alfred Gislason war, ob er je eine bessere Handballmannschaft trainiert habe als diesen THW Kiel. Das brachte den 52-Jährigen, der an sich schlagfertig ist, etwas aus der Fassung. Erst nach kurzem Zögern sagte der Isländer: »Ja, das macht schon Spaß.« Nur das Lächeln verriet, dass er das Training mit diesem Team als Genuss empfindet.

Nun lächelt Gislason während der Arbeit nicht oft, wie der THW-Profi Daniel Narcisse einmal grinsend berichtet hat; an 320 Tagen im Jahr habe der Isländer schlechte Laune. Doch das, was Gislason in den letzten Wochen mit dem Rekordmeister hingezaubert hatte, das ließ nichts Bärbeißiges mehr zu. Der 30:25 (15:12)-Triumph gegen den amtierenden Meister HSV Hamburg erschien als vorläufige Krönung einer historischen Serie: Mit 16 Siegen in 16 Bundesliga-Spielen jagt der THW nun jenen Rekord des TBV Lemgo, der als Bestmarke für die Ewigkeit erschien: In der Saison 2002/03 siegten die Ostwestfalen 17 Mal hintereinander, bis sie der SC Magdeburg stoppte - der Trainer damals hieß: Gislason.

Dass der 17. Meistertitel für die »Zebras« nur noch Formsache ist, wollte keiner der THW-Verantwortlichen zugeben. Doch niemand in der Liga glaubt mehr an einen Einbruch dieses Superteams, das nun acht Zähler Vorsprung auf den HSV hat, dazu ein klar besseres Torverhältnis. Allein HSV-Präsident Martin Schwalb wollte dem Konkurrenten noch nicht gratulieren: »Ich habe übrigens noch nie gehört, dass eine deutsche Meisterschaft schon im Dezember entschieden worden ist«, ätzte Schwalb.

Dieses Statement nahm Gislason stoisch hin. Er genoss den Moment des süßen Erfolges, der im Sommer keineswegs sicher erschien. Als der THW Kiel im Juli die Saison im Indischen Ozean begann, auf der idyllischen Insel La Réunion, hatte er sich noch um das komplexe Gefüge der ausnahmslos aus Stars bestehenden Mannschaft gesorgt. Alle mussten begreifen, dass sie durchspielen könnten, so Gislason. »Rotation ist vor allem Kopfsache«, erklärte der Isländer.

Nun, fünf Monate später, wirkt die THW-Maschine perfekt geschmiert, langjährige Beobachter sagen, dies sei der beste THW aller Zeiten. Wen auch immer Gislason auf das Feld schickt, ein Leistungsverlust ist nicht erkennbar. Illustrativstes Beispiel am Sonntag war Linkshänder Christian Zeitz, der lange auf der Bank zugeschaut hatte, bevor er beim Stand von 25:25 die Initiative ergriff. Auch der zweite Torwart Andreas Palicka, der hinter Weltklasse-Mann Thierry Omeyer kaum Einsätze bekommt, half in kritischen Szenen mit, als er zwei Strafwürfe parierte.

Ausruhen werden sich die THW-Profis auf ihrer sensationellen Serie dennoch nicht, das versprach Rückraumstar Filip Jicha auch im Hinblick auf das Pokal-Achtelfinalspiel am Mittwoch bei den Füchsen Berlin: »Dieser Sieg gegen Hamburg war schön, er macht uns aber nicht satt. Wir sind weiter hungrig.« Auch so ein Satz, der ein Lächeln in das Gesicht des Trainers zaubern dürfte.

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