Wie viel braucht der Bürger?

Werner Schulten (LINKE) über die Höhe einer Mindestsicherung / Schulten ist Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV in und bei der LINKEN

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Wie viel braucht der Bürger?

nd: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV der Linkspartei hat berechnet, wie hoch das Netto-Einkommen eines Deutschen mindestens sein müsste, um Existenz und Teilhabe entsprechend des Sozialstaatsgebots zu sichern. Wie viel braucht der Bundesbürger denn zum Leben?
Schulten: Wir als BAG Hartz IV haben errechnet, dass es mindestens 1050 Euro sein müssten. Dafür haben wir unterschiedliche Berechnungsgrundlagen genutzt.

Welche wären das?
Also Warenkorb- und Statistikmodelle sowie die europäischen Armutsrisikogrenzen. Da gibt es gleich zwei unterschiedliche Definitionen. Dazu auch die Pfändungsfreigrenze, weil da festgelegt wird, was denn der Mensch zum Leben braucht und was ihm sein Gläubiger nicht nehmen darf. Aus diesen verschiedenen Modellen haben wir einen Mittelwert errechnet, der bei mindestens 1050 Euro liegt.

Schützt denn dieser Betrag auch vor Altersarmut?
Selbst die von der BAG geforderten zwölf Euro Mindestlohn sind für die Rentenerwartung zu wenig, um davon vernünftig im Alter leben zu können. Deswegen fordern wir ja diese 1050 Euro nicht nur für Hartz-IV-Betroffene, sondern wir wollen auch eine Mindestrente in dieser Höhe.

Wie kommt es eigentlich, dass die offiziellen Regelsatzberechnungen der Bundesregierung auf Beträge weit unter der 1000-Euro-Marke kommen?
Jeder weiß doch, dass der neue Regelsatz nach Kassenlage passend gerechnet wurde. So, wie es schon die rot-grüne Regierung getan hat, welcher der Vorschlag der Hartz-Kommission von 511 Euro 2002 viel zu hoch war, um Druck auf die Löhne auszuüben. Rot-Grün hat damit Millionen Menschen in Armut getrieben und dauerhaft von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen.

Zurück zur LINKEN: Sind die Forderungen nach einer Mindestsicherung von 1050 Euro in der Partei durchsetzbar?
Ja, ich denke schon, dass sie durchsetzbar sind. Die Mehrheit der Mitglieder geht da sicher konform. Es gibt natürlich in einigen Landstrichen Bedenken, vor allem, weil die meisten Menschen dort für einen Hungerlohn arbeiten, wie in Leipzig beispielsweise. Dort gibt es Menschen, die arbeiten für 3,50 Euro. Deshalb fürchten einige Mitglieder, dass die LINKE möglicherweise nicht mehr gewählt wird, weil sie unrealistische Forderungen wie einen Mindestlohn von zwölf Euro oder eine Mindestsicherung von 1050 Euro fordert.

Wie geht es nun weiter? Die BAG Hartz IV ist ja nicht die Partei, sondern nur eine Interessenvertretung innerhalb der LINKEN. Da müssen Sie die parteiinterne Diskussion ja erst mal ins Rollen bringen.
Unser Positionspapier kommt ja nicht aus dem luftleeren Raum, sondern wurde mit einer Studie unterlegt, die jedem Parteimitglied über die Webseite der LINKEN zugänglich ist. Ich habe zudem entsprechende Schreiben an alle Parteivorstandsmitglieder, in die Fraktion sowie in die einzelnen Kreis- und Landesverbände verschickt. Ich erwarte, dass in den nächsten Monaten eine rege Debatte zur Sache geführt wird. Ziel ist es, diese Forderungen ins Wahlprogramm 2013 zu bekommen.

Fragen: Fabian Lambeck

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