Zweifel und Widerstand nehmen zu
Asbesttransporte im Norden bleiben fragwürdig
Die umstrittenen Asbesttransporte, die von Niedersachsen nach Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein rollen sollen, verlieren weiter an Akzeptanz. Auch Schleswig-Holsteins Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) ging auf Distanz zu diesem Mülltourismus. Aus der Bevölkerung kommen derweil erste Ankündigungen, sich gegebenenfalls mit Straßenblockaden zu wehren.
Widerstand regt sich mehrfach: Sowohl in Wunstorf bei Hannover, wo die Halde mit Asbestrückständen seit 1993 vor sich hin schlummerte und die Verantwortlichen jahrelang keinen Handlungsbedarf sahen, als auch an den Zielorten nahe den Sondermülldeponien Rondeshagen (Herzogtum Lauenburg) und Ihlenberg (Nordwestmecklenburg) sowie entlang der Transportstrecke.
Kritik in Kreistagen
Im Kreistag von Stormarn (nordöstlich von Hamburg gelegen) regte sich Empörung darüber, dass die Kreisbehörde nicht über die geplanten Transporte informiert worden war. Dies war auf Anfrage der Linksfraktion ans Licht gekommen. Im Landkreis Herzogtum Lauenburg lehnen alle Kreistagsfraktionen die Transporte ab. Jeder Privatbürger müsse für die Entsorgung von alten Eternitplatten mehr Auflagen erfüllen, als nun für den Transport von rund 170 000 Tonnen Asbestmüll geltend gemacht würden, regte sich der Kreistagsabgeordnete Andreas Rosteck (CDU) auf.
Ging Schleswig-Holsteins Umweltministerium Anfang des Monats noch von der vom TÜV Nord attestierten Bedenkenlosigkeit der Transporte aus, rückte Ministerin Rumpf nun von dieser Bewertung ab und betonte im Gegenteil, dass ihre Zweifel gewachsen seien und es weiter offene Fragen gebe. Im Januar wolle sie allen Fraktionen wieder berichten, bis dahin werde es keine Transporte geben. Eines der Fragezeichen betrifft das von der niedersächsischen Genehmigungsbehörde herangezogene TÜV-Gutachten, denn Umweltschützer haben herausgefunden, dass besagter TÜV gar nicht für die Asbest-Analyse zertifiziert ist.
Unzureichendes Gutachten
Nicht zuletzt diese Tatsache hatte bereits Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) zu einem Transport-Moratorium veranlasst. Nun soll ein eigenes Rechtsgutachten mehr Klarheit bringen, das aber frühestens Mitte Januar vorliegen wird. Doch die Umweltschutzorganisation BUND weist auf eine Schwachstelle hin: Nicht nur eine rechtliche Beurteilung sei nötig, sondern auch eine Expertise über mögliche Gesundheitsgefahren. Die LINKE bemängelt, dass Gesundheitsministerin Manuela Schwesig (SPD) bei diesem Thema abgetaucht sei und dazu neben Sellering nur Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) zu vernehmen sei.
In der Kritik stehen inzwischen auch die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern. Waren sie anfangs noch gegen die über 7000 anstehenden Asbest-Lkw-Fahrten, spricht ihr jüngster Landtagsantrag nur noch davon, die gefährliche Tonnage nicht offen mit Planenabdeckung, sondern in eingeschweißten »Plastik-Bags« zu transportieren.
Friedrich Jäkel, Mineraloge und früher beim niedersächsischen Landesamt für Ökologie mit der Wunstorfer Altlast beschäftigt, zweifelt im Übrigen die Gefahrgutmenge an. Während bisher die Rede von 170 000 Tonnen ist, geht er von einer Ablagerung von rund 280 000 Tonnen aus und spricht offen die Befürchtung aus, dass dann womöglich über 10 000 Ladungen anstünden. Umweltschützer fordern eine vernünftige Sanierung der Halde vor Ort, was unterm Strich die billigere Lösung sein dürfte. Die Kosten der Transportvariante werden derzeit mit neun Millionen Euro veranschlagt.
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