Weg vom Klischee

Die Autorin Florence Hervé über die Ambivalenz der Wüste

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Frauenrechtlerin Florence Hervé und der Fotograf Thomas A. Schmidt porträtierten für den Band »Frauen der Wüste« 38 Frauen, deren Leben eng mit der Wüste verbunden ist. Über das Projekt sprach mit Hervé für »nd« Antje Stiebitz.
Weg vom Klischee

nd: Sie haben bereits eine Reihe von Frauenthemen bearbeitet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Frauen und Wüste zu verknüpfen?
Hervé: Ich hatte mich zuletzt mit Faschismus und Widerstand beschäftigt. Doch wenn ich mich mit einer schweren Thematik auseinandersetze, brauche ich einen Ausgleich, etwas Schönes, zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Natur. Und ich wollte gerne etwas mit Fotografie machen. In »Frauen der Wüste« begleitet der Text die Bilder und umgekehrt. Und beide Elemente stehen gleichzeitig für sich selbst.

Sie haben 38 Frauen in sieben verschiedenen Wüsten porträtiert. Wie erleben die Frauen ihren ungewöhnlichen Lebensraum?
Vielfältig und ambivalent. Die Schönheit der Wüste wird oft im Hochglanzformat gezeigt, zum Beispiel die wellenartigen Sandmeere. Doch die Wüste ist nicht nur etwas für Abenteuerinnen. Die Frauen leben dort einfach, sind Beduinin, Gewerkschafterin oder Insektenforscherin. Aber ihre Existenz ist von schwierigen Bedingungen gekennzeichnet. Faszinierend sind die Grenzenlosigkeit, die Stille und der Himmel. Wüste ist Natur pur. Und es ist einsam, die Frauen sind dort mit sich selbst. Viele von ihnen haben das auch als Reise ins Innere beschrieben.

Wüsten gelten gemeinhin als unwirtlich und lebensfeindlich.
Natürlich herrschen in der Wüste extreme Bedingungen: Hitze, Kälte in der Nacht und Wassermangel. Für die Menschen dominiert die Frage nach dem Wasser das Leben.

Auch die Einsamkeit kann nicht jeder aushalten. Es gibt Beschreibungen von Menschen, die verrückt wurden, weil sie die Einsamkeit nicht ertragen konnten. Und es gibt gefährliche Tiere - Schlangen, Skorpione. Die Wüste steht symbolisch auch für das Nichts und den Tod.

Was ist das Besondere an Frauen, die sich dem Leben in der Wüste verschrieben haben?
Das sind ganz normale und gleichzeitig außergewöhnliche Frauen. Für sie ist die Wüste ein Ort des Lebens, der Arbeit, aber auch der Inspiration. Ich wollte weg von den Klischees, die über die Wüste herrschen. Weg von Romantik, Abenteuer und einem touristischen Blick. Das besondere an den Frauen ist, dass sie es schaffen, aus einer kargen Umgebung etwas zu machen. Ihr Leben ist sehr beschwerlich, aber sie lernen damit umzugehen und machen etwas Schöpferisches daraus. Bei der Choreographin Marta Becket beispielsweise fördert die Einsamkeit ihren Ideenreichtum. Viele der Frauen, so die mongolische Bäuerin Yin, gewinnen durch die Natur Stärke.

Sie haben alle die Fähigkeit auszuharren und konzentrieren sich auf die wesentlichen Dinge des Lebens. Außerdem teilen sie gerne mit anderen Menschen und gehen starke Beziehungen ein. Natürlich gibt es auch Frauen, die ihre Umgebung aufgrund ihrer äußerst schwierigen Arbeitsbedingung als regelrecht schrecklich empfinden, wie beispielsweise die Salzarbeiterinnen der bolivianischen Wüste Salar de Uyuni. Die wollen einfach nur weg.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Wüsten und die Frauen ausgewählt?
Bei den Wüsten ging es mir um Beispiele aus allen Kontinenten. Zusätzlich wollte ich die Vielfalt der Wüsten darzustellen. Geprägt durch die Sahara gelten bei uns Sanddünen oft als wüstentypisch. Aber sie bestehen auch aus Stein oder Salz. Bei den Frauen ging es mir genauso um Vielfalt, und um ihre Bereitschaft, etwas aus ihrem Alltag zu erzählen. Dem Ganzen übergeordnet waren die Aspekte Arbeit, politisches oder soziales Engagement und Kunst. Und innerhalb dieser drei Bereiche wollte ich unterschiedliche Berufe, auch das Leben in Flüchtlingslagern, darstellen. Am wichtigsten war es mir, dass ich nicht nur über sie schreibe, sondern dass die Frauen selbst zu Wort kommen.

Florence Hervé / Thomas A. Schmidt: Frauen der Wüste. Aviva-Verlag Berlin, 192 S., geb., 39,90 Euro.

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