Showdown um Sozialabgaben
160 Millionen USA-Bürgern drohen durch Blockade der Republikaner Einschnitte
Drei Mal ist die USA-Regierung in diesem Jahr knapp am Finanzkollaps vorbeigeschlittert. Erst in letzter Minute konnten sich die zutiefst zerstrittenen Demokraten und Republikaner im Kongress vor einigen Tagen mit halbgaren Kompromissen auf einen Haushalt einigen, der den drohenden Staatsbankrott abwendete. Doch auch wenn dieser Etat die Zahlungsfähigkeit der Bundesbehörden verhindert hat, die riesigen Schuldenprobleme der größten Volkswirtschaft der Welt schieben Washingtons Politiker weiter vor sich her. Mit über 15 Billionen Dollar (11,5 Billionen Euro) stehen die USA inzwischen in der Kreide, das sind etwa 100 Prozent ihres jährlichen Bruttoinlandsproduktes. Und nun sind erneut auf Kollisionskurs: Das von den Republikanern beherrschte Repräsentantenhaus hat am Dienstag (Ortszeit) einen Kompromiss des Senats über reduzierte Sozialabgaben über den 31. Dezember hinaus blockiert.
Diese Frage hatte schon im endlosen Haushaltsstreit eine wichtige Rolle gespielt. Präsident Barack Obama und seine Demokraten in beiden Häusern des Kongresses drängten darauf, befristete Abgabensenkungen und Sozialleistungen fortzuschreiben. Ihr Argument: Damit könne man die Konjunktur entscheidend ankurbeln. Natürlich dachte das Regierungslager dabei auch an den Wahlkampf im nächsten Jahr. Im Senat erzielte man dann sogar einen Kompromiss mit den Konservativen bei den sogenannten Middle Class Taxes. Doch im Abgeordnetenhaus blockieren die Republikaner, die eine von Obama angestrebte Zusatzsteuer für Millionäre abgeschmettert hatten, den Vorschlag, die verringerten Abgaben und die aufgestockte Zahlung von Arbeitslosenhilfe zunächst um zwei Monate zu verlängern, um Zeit für weitere Verhandlungen zu bekommen. Treibende Kraft ist dabei die fundamentalistische Tea-Party-Bewegung.
Steigen die Sozialabgaben Anfang des Jahres wieder um zwei Prozentpunkte, hätten 160 Millionen Beschäftigte die Zeche zu zahlen. Ein Durchschnittsverdiener müsste dann jährlich über 1000 Dollar mehr für seine soziale Absicherung aufwenden. Der Durchschnittslohn liegt in den USA gegenwärtig bei etwa 2100 Dollar. Auch wenn die Arbeitslosigkeit zuletzt leicht auf unter neun Prozent zurückgegangen ist - längst schon fressen sich die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise bis in die Mittelschicht hinein. Auch weil die Zahl der Arbeitnehmer zuletzt stark gestiegen ist, die von ihrem Lohn kaum eine Familie ernähren können.
Gerade hat die Vereinigung der Bürgermeister in den USA eine weitere Zunahme von Armut und Obdachlosigkeit beklagt. »Im reichsten Land der Welt gibt es Menschen, die keinen Platz zum Leben haben«, sagte das Stadtoberhaupt von Kansas City, Sly James. Eine Studie des Nationalen Zentrums für obdachlose Familien wies darauf hin, dass sich auch immer mehr Kinder ohne Dach über dem Kopf durchschlagen müssen. 1,6 Millionen darbten inzwischen in Parks, verlassenen Häusern, Autos oder anderen behelfsmäßigen Unterschlüpfen. Laut einem aktuellen Regierungsreport lebten im vergangenen Jahr insgesamt 46,2 Millionen aller USA-Bürger in Armut. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sei im Vergleich zu 2009 von 14,3 auf 15,1 Prozent gestiegen. In 25 von 29 genauer untersuchten Städten mit über 30 000 Einwohnern hat der Bedarf an Nahrungsmittelhilfe drastisch zugenommen. In Kansas City war dieser Anstieg mit 40 Prozent besonders hoch.
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