Bagdad: Tödlicher Machtkampf
Über 70 Menschen starben bei Bombenserie in der irakischen Hauptstadt
Es war die seit Monaten schlimmste Anschlagsserie, die die irakische Hauptstadt am Donnerstag traf: Terroristen töteten dabei über 70 Menschen. Fast 200 wurden verletzt. Den vorliegenden Meldungen zufolge handelte es sich um ein sorgfältig geplantes und logistisch perfekt vorbereitetes Attentat. Die hohe Opferzahl resultierte aus dem dezentralen Vorgehen der Täter und dem Umstand, dass sie mitten im Berufsverkehr zuschlugen. So explodierten Bomben im mehreren Stadtvierteln Bagdads: Karrada, Al-Wasirija, Al-Schaab und Al-Alwija. Besonders perfide gingen die Terroristen in dem zentral gelegenen Viertel Karrada vor, wo zeitgleich mit der Explosion einer Autobombe ein Selbstmordattentäter seinen Sprengstoffgürtel zündete. In Al-Alwija detonierten den Angaben zufolge zwei Sprengsätze unweit eines Filmtheaters. Die Ziele der Gewalttäter waren, wie ein Sprecher der Sicherheitskräfte erklärte, »keine öffentlichen Institutionen oder Sicherheitsposten«.
Da in den attackierten Quartieren der Hauptstadt Schiiten, Sunniten und auch Christen leben, wurde zunächst keiner der politisch-religiösen Gruppierungen die Verantwortung für die Bluttat zugewiesen. Dennoch gehört nach Ansicht von Beobachtern das neue Massaker in den Kontext der sich immer mehr verhärtenden Feindschaft zwischen Schiiten und Sunniten im Parlament und in der Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Indes rief Maliki die Bevölkerung demonstrativ zum Zusammenstehen auf. Es werde den »Kriminellen und ihren Helfern nicht gelingen, den politischen Prozess zu verändern oder ihrer Strafe zu entkommen«. Die Einschätzung von Parlamentspräsident Osama al-Nudschaifi, dass die Anschläge die »nationale Einheit bedrohen«, ist so simpel wie richtig und kennzeichnet zweifellos die Ziele der Terroristen. Nudschaifi berief für den heutigen Freitag eine Dringlichkeitssitzung des Parlaments ein.
Außenminister Guido Westerwelle war mit den üblichen plakativen wie hilflosen Statements zur Stelle, indem er sich »zutiefst bestürzt« zeigte und die Anschläge »auf das Schärfste« verurteilte. Schließlich hätten die Menschen in Irak und die internationale Gemeinschaft viel investiert, um den Wiederaufbau des Landes und den gesellschaftlichen Versöhnungsprozess voranzubringen. Ein »Versöhnungsprozess«, der von einer jahrelangen militärischen Intervention begleitet war - was Westerwelle nicht erwähnte. Der Aufruf des FDP-Politikers zum Dialog aller Glaubensrichtungen dürfte in Irak wenig Gehör finden. Nach Abzug der US-Truppen tritt dort der Machtkampf in eine neue Etappe.
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