Das Schwein zum Porzellan

Rund um das sächsische Meißen knüpfen Bauern an die große Zuchttradition in der Region an

  • Hendrik Lasch, Mettelwitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Meißen war einst die Hochburg der Schweinehaltung in Sachsen. Vor gut 120 Jahren wurde eine eigene Rasse gezüchtet. Die Landwirte der Region wollen sie wieder aufleben lassen.
Große Schlappohren, auffallend langer Körper: die Nachzüchtung des Meißner Landschweins
Große Schlappohren, auffallend langer Körper: die Nachzüchtung des Meißner Landschweins

Das Festmahl besteht unter anderem aus gequetschtem Kürbis. Es wird mit Grunzen und Schmatzen verzehrt. Sind die Futtertröge geleert, legen sich das gute Dutzend Ferkel und ihre Mutter wieder zur Ruhe, wobei es den Nachwuchs nicht lange an einem Fleck hält: Während die Sau zufrieden im Koben liegt, schieben sich die Ferkel quietschend übereinander.

Die Szene im Stall des Vierseithofs von Rolf Merzdorf, der im Dorf Mettelwitz nahe der Porzellanstadt Meißen steht, könnte aus dem vorvorigen Jahrhundert stammen. Auf dem 1867 gebauten Hof in der fruchtbaren Lommatzscher Pflege, der in sechster Generation im Familienbesitz ist, wurde Ende des 19. Jahrhunderts eine Tradition der Schweinezucht mitbegründet, die das Meißner Land weithin bekannt machte. Bauern begannen, durch Einkreuzungen englischer Rassen das bis dahin gehaltene Landschwein zu veredeln, das äußerlich sehr an Wildschweine erinnerte. Weil die Bevölkerung rasant wuchs, wurden nicht nur mehr Tiere benötigt, sondern auch solche mit besseren genetischen Eigenschaften.

Frühreif und frohwüchsig

Ergebnis war eine neue Rasse, das Meißner Landschwein, das auf Agrarschauen zahlreiche Preise bekam. Eine der ersten Urkunden bewahrt Merzdorf neben vielen späteren Auszeichnungen in seinem Haus auf. 75 Mark, so ist auf dem Dokument zu lesen, erhielt einer seiner Vorgänger, der 1888 in Breslau einen 1. Preis gewann. Damit würdigten die Experten ein »frühreifes, frohwüchsiges, fruchtbares Landschwein«, wie es später in der Fachliteratur hieß. Zu dessen Merkmalen gehören große Schlappohren, ein auffallend langer, tonnenförmiger Körper und glatte, weiße Haare.

Diese Beschreibung trifft auch auf die Tiere in Merzdorfs Stall zu, obwohl es sich genau genommen nicht mehr um das Meißner Landschwein handelt, wie Hartmut Tischer betont. Die ursprüngliche Rasse sei »im strengen Sinn« schon in den 1930er Jahren in anderen Landrassen aufgegangen, sagt der Fachmann vom Mitteldeutschen Schweinezuchtverband. Dennoch bemühen sich Landwirte der Region seit einigen Jahren darum, an die große Zuchttradition anzuknüpfen. In ihren Ställen stehen Tiere, denen die Verwandtschaft zum Meißner Landschwein deutlich anzusehen ist. Exakt 120 Jahre nach Gründung der ersten Zuchtgenossenschaft im Jahr 1888 wurde 2008 eine Zucht- und Vermarktungsgemeinschaft ins Leben gerufen, die Tischer leitet.

Nach dreijähriger Arbeit beteiligen sich bereits zehn Bauernhöfe an der Zucht. Diese wird langsam erweitert. In großem Stil und um jeden Preis solle sie allerdings nicht wachsen, betont Tischer. Das Meißner Schwein, das durch Ohrmarken mit eigens entworfenem Signet als solches ausgewiesen ist, bleibt vorerst eine kulinarische Rarität, die freilich zur Region gehören soll »wie das Porzellan aus der Meißener Manufaktur«, sagt Tischer. Derzeit hängen geräucherte Schinken und andere Produkte nur in drei Fleischereien in und nahe Meißen sowie in Torgau; Spezialitäten vom Meißner Schwein kommen in einigen Restaurants der Region auf den Tisch. Genießer merken, dass sie etwas Besonderes auf dem Teller haben, berichtet Merzdorf: Bei Verkostungen gerieten sie regelmäßig ins Schwärmen.

Studie zum Fleisch

Das wollen sich die Meißner Züchter auch Schwarz auf Weiß bescheinigen lassen: Anfang 2012 soll eine wissenschaftliche Studie zur Fleischqualität vorliegen. Bis dahin werden Kürbisse, Futterrüben und Kraftfutter dafür gesorgt haben, dass die Ferkel aus Rolf Merzdorfs Stall gehörig gewachsen sind. In einem guten Jahr werden sie es auf stolze 200 Kilo bringen und zu Schinken, Würsten oder Koteletts verarbeitet. Über die Produkte habe es bisher nur eine Beschwerde gegeben, die freilich ein verkapptes Lob war, sagt Tischer: Die Koteletts, habe man in einem Lokal angemerkt, seien derart groß, dass sie kaum auf den Teller passen.


Sauen-Hochburg

Mit dem Meißner Landschwein wurde in den 1880er Jahren eine neue Rasse gezüchtet. 70 Landwirte gründeten 1888 eine Zuchtgenossenschaft. 1891 verkaufte sie 1520 Zuchttiere. Später hielt man in der Amtshauptmannschaft Meißen bis zu einem Viertel des sächsischen Schweinebestands. (hla)

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