Rauswurf nach Aufruhr
Der SC Freiburg trennt sich von Trainer Marcus Sorg - überraschend ist allenfalls der Zeitpunkt
Es ist nicht gerade überraschend, dass ein Tabellenletzter seinen Trainer entlässt. Dass er das zwei Tage vor Silvester tut, verwundert durchaus. Zumal, wenn wie beim Fußball-Bundesligisten SC Freiburg geschehen, sowohl Manager Dirk Dufner als auch Präsident Fritz Keller in den vergangenen Wochen nicht müde geworden waren, Marcus Sorg ihre uneingeschränkte Rückendeckung zu versichern.
Am Mittwoch habe man sich entschieden, Sorg »mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben zu entbinden«, sagte Dufner, den in den letzten Wochen nicht unbedingt ein stringentes Krisenmanagement auszeichnete. »Christian Streich wird übernehmen.« Ex-SC-Profi Streich, der seit 1995 als Trainer im Verein aktiv ist, hat nun einen Vertrag als Chefcoach bis 2014 unterschrieben. Er gilt für die erste und die zweite Liga.
Die sportliche Lage war offenbar nicht allein ausschlaggebend bei dem Klub, der in seiner Bundesliga-Geschichte noch nie vorzeitig einen Trainer entlassen hat. Vielmehr scheint es, als hätten die Verantwortlichen in den vergangenen Tagen aus gegebenem Anlass nochmal alles überdacht. In dem traditionell ruhigen Bundesligastandort war die Empörung über die Freistellung von sechs Spielern so groß, dass davon alle im Klub überrascht wurden.
Dass unter den kurz vor Heiligabend aussortierten Spielern auch Kapitän Heiko Butscher war, empfanden viele Fans als regelrechten Sündenfall. Sie kritisierten in hunderten Briefen, dass man sich von einem Führungsspieler trennt, dessen menschliche Qualitäten immer gelobt wurden. Und auch wenn die Suspendierung von Yacine Abdessadki ebenso wenig zurückgenommen werden soll wie die Freistellung der anderen fünf, dürften sich die SC-Verantwortlichen durch den Trainer-Rauswurf erst einmal selbst aus der Schusslinie gebracht haben.
Schließlich war die Kluft zwischen Vereinsführung und Basis auch deshalb entstanden, weil die Leistungskriterien, die angeblich an die ausgemusterten Spieler angelegt worden waren, für den Trainer nicht zu gelten schienen. Den Eindruck, dass Sorg das Ruder herumreißen könne, hatten zuletzt nicht mehr viele.
Inhaltlich ist die Trennung von Sorg nachvollziehbar. Abgesehen von einer nichtssagenden Rhetorik sorgte auch manche Auswechslung und Nicht-Berücksichtigung von Spielern für Stirnrunzeln - und das offenbar auch in der Mannschaft. Zahlreiche Spieler sollen zudem moniert haben, dass weder die Videoanalysen noch die Gegnervorbereitungen auch nur annähernd die Qualität seines Vorgängers Robin Dutt hatten.
Streich soll nun gegenüber der Mannschaft entschiedener auftreten, wie Manager Dufner durchblicken ließ: »Christian Streich ist ein anderer Typ.« Wohl wahr. Im Gegensatz zu dem zurückhaltenden Sorg ist der 46-Jährige energischer und temperamentvoller. Befürchtungen, dass er in Stresssituationen zu aufbrausend sein könnte, hatten offenbar am Ende der Ära Dutt noch die Beförderung Streichs verhindert. Sie waren wohl schon damals unbegründet.
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