Portia Simpson schafft den Wechsel

Durch einen Kantersieg erobern Jamaikas Sozialdemokraten die Regierung zurück

  • Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Parlamentswahl auf Jamaika hat die sozialdemokratische PNP der früheren Regierungschefin Portia Simpson Miller einen überraschend deutlichen Sieg errungen. Auf sie entfielen 41 Sitze im Repräsentantenhaus, während die regierende konservative JLP von Premierminister Andrew Holness nur 22 Sitze errang.

Das Gefühl hat sie nicht getrogen: »Ich kann den Wind des Wechsels spüren!« hatte Portia Simpson Miller im Wahlkampfendspurt verkündet. Tatsächlich schaffte sie, die bereits 2006 bis 2007 als Regierungschefin amtiert hatte, mit ihrer sozialdemokratischen People's National Party (PNP) die triumphale Rückkehr an die Macht. Die PNP errang 41 der 63 Direktmandate, die in Jamaika nach dem Westminster-Modell der einstigen britischen Kolonialmacht vergeben werden: Der Sieger im Wahlkreis erhält den Sitz, der Rest geht leer aus.

Die nach 18-jähriger Pause erst 2007 wieder an die Regierung gekommene konservative Jamaica Labour Party unter dem amtierenden Premierminister Andrew Holness muss schon wieder den Gang auf die harten Oppositionsbänke antreten. Erstmals seit Einführung allgemeiner Wahlen 1944 wurde in Jamaika eine Partei nach nur einer Regierungsperiode wieder abgewählt. Die JLP konnte lediglich 22 Sitze erobern und räumte ihre Niederlage noch im Verlauf der Nacht ein. »Das Volk hat gesprochen«, sagte JLP-Wahlkampfleiter Karl Samuda. Der erst seit Ende Oktober amtierende Regierungschef Andrew Holness muss mit der Schmach leben, dass er die bisher kürzeste Amtszeit aller Premiers der Karibikinsel innehatte.

Holness wollte die Reggaeinsel, auf der jährlich rund 20 000 Deutsche Urlaub machen, durch die vorgezogenen Wahlen wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen und seine Position sichern. Im Oktober erst hatte der damalige konservative Regierungschef Bruce Golding überraschend seinen Rücktritt erklärt, damit die Verantwortung für eine der schwersten Krisen des Landes übernommen - und den Regierungsstab an seinen 39-jährigen Bildungsminister weitergeben. Golding reagierte - wenn auch zeitverzögert - auf die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Mai 2010 in einem Getto der Hauptstadt Kingston. Mindestens 76 Menschen waren damals umgekommen, als die Polizei versuchte, einen der mächtigsten Drogenbosse, Christopher »Dudus« Coke, festzunehmen und an die USA auszuliefern.

Tivoli Gardens, das Einflussgebiet »Dudus«, liegt in Westkingston, im Wahlkreis Goldings. Coke war, wie sich herausstellte, ein überaus spendabler Unterstützer der JLP. Seit »Dudus« Coke in den USA im Gefängnis sitzt und inzwischen, nach einer Absprache mit den US-amerikanischen Behörden, auch über Interna seiner Finanzspritzen für die jamaikanische Politik erzählt hat, waren die Amtstage Goldings gezählt.

Nach Angaben der jamaikanischen Wahlbehörde beteiligten sich nur 48 Prozent der 1,6 Millionen Stimmberechtigten am Urnengang, was einem weiteren Rückgang entspricht. Das Land hat insgesamt 2,8 Millionen Einwohner. Die Wahlen wurden von den Sicherheitskräften, die massiv präsent waren, als die friedlichsten in der jüngeren Geschichte klassifiziert. 1980 - auf dem Höhepunkt der politischen Gewalt - waren über 800 Menschen im Wahlkampf von parteinahen Banden ermordet worden.

Portia Simpson Miller, die im Dezember 66 Jahre alt wurde, machte sich mit dem Wahlsieg ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk und zeigte sich hoch erfreut. Ihre Aufgabe wird allerdings nicht leicht sein. Auch nach einer Umschuldung 2010 muss die drittgrößte Karibikinsel für die Schuldenbedienung fast zwei Drittel des Staatshaushalts aufwenden. Zwar ist die Wirtschaftslage im Vergleich mit der Situation auf anderen Karibikinseln gegenwärtig nicht schlecht, der Tourismus boomt, aber fast die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung hat keine feste Arbeit und muss sich durch Gelegenheitsjobs und die finanzielle Unterstützung von Familienangehörigen im Ausland über Wasser halten. Simpson hatte Beschäftigung zu ihrem wichtigsten Wahlkampfthema gemacht. Nun wird sie liefern müssen.

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