Außen unscheinbar, innen bombastisch
Die Würzburger Hofkirche in der Residenz eröffnet Mitte 2012 nach aufwendiger Sanierung wieder
Würzburg. Matthias Staschull gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er von dieser Kirche spricht. »Ich kenne wirklich etliche Hofkirchen«, sagt der Experte der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. »Die Qualität hier sucht ihresgleichen.« Viel zu sehen ist davon derzeit allerdings nicht: Der Innenraum der katholischen Hofkirche »Allerheiligste Dreifaltigkeit« der Fürstbischöflichen Residenz in Würzburg ist eingerüstet. Seit 2009 wird die Kirche saniert und restauriert, Mitte 2012 soll sie wieder öffnen.
Staschulls »Patient« hat in den vergangenen 66 Jahren schwer gelitten: Der Bombenangriff auf die Stadt im März 1945, der darauffolgende schwere Brand, jahrelang undichte Dächer. Bereits von 1958 bis 1961 wurde die Hofkirche restauriert - mit eher nur mäßigem Erfolg. »Wir mussten ab 2005 erst mal eine gründliche Anamnese machen«, sagt Staschull. Materialproben seien genommen worden, das Raumklima untersucht und alle Schäden in der Kirche kartiert.
Mehrere Jahre lang sei am Konzept zur Sanierung der Hofkirche gearbeitet worden, 2009 habe der Bayerische Landtag grünes Licht für das »sehr ambitionierte« Projekt gegeben, sagt Staschull. Die zwischen 1720 und 1744 von Balthasar Neumann zusammen mit der Residenz errichtete Kirche birgt unzählige kunsthandwerkliche Schätze: Stuckmarmor etwa, Skulpturen und Altäre von Antonio Bossi, oder die von 1735 bis 1736 vom damals 75-jährigen Hofmaler Rudolph Byss geschaffenen Deckengemälde.
Dass von alledem trotz der Bombardierung Würzburgs noch etwas übrig ist, »ist Balthasar Neumann zu verdanken«. Der Baumeister (1687-1753) habe der Residenz eine »äußerst stabile Gewölbekonstruktion gegeben«, sagt Staschull. Sie hielt den Bomben stand - und dem herabstürzenden brennenden Dachstuhl: »Ohne dieses innere Steindach wären viele der eingebauten Kunstwerke verloren gewesen.« Transportable Kunstwerke waren im Krieg hingegen ausgebaut und sicher eingelagert worden.
Was die Gewalt des Krieges nicht schaffte, erledigte die Feuchtigkeit. In die Residenz, die in der Not der Nachkriegszeit nur schlecht abgedichtet war, tropfte es jahrelang hinein - das erst verursachte die gravierenden Schäden. »Das zeigen die Fotos der Hofkirche von 1945 und 1958 ganz deutlich«, sagt Staschull. »Putz und Farbe blätterten regelrecht von der Decke.« Dabei nahmen die Deckengemälde großen Schaden. Eine schwerwiegende Langzeitfolge der Nässe: viel zerstörter Stuck.
Ende der 1950er Jahre folgte eine erste Restaurierung der eher kleinen Kirche, die wegen ihrer raffinierten Raumstruktur und der kunstfertigen Dekoration zu den vollkommensten Sakralbauten des 18. Jahrhunderts zählt. Dass Planer und Restauratoren damals ihr Bestes gaben, steht für Experte Staschull außer Frage. »Allerdings würden wir es heute nicht noch einmal so machen«, betont er. Einige der verwendeten Materialien hätten den Schadensprozess teilweise eher forciert als gestoppt.
Hinzu kommt die aus heutiger Sicht eher fragwürdige »Rettung« der Gewölbegemälde in den drei Kuppeln von Byss, die Mittel- und Westkuppel wurden 1960 mehr oder weniger übermalt. Staschull steht 18 Meter über dem Fußboden auf dem Gerüst, knipst das Neonlicht aus und zwei UV-Leuchten an. Im blauen Schummerlicht kommt unter dem dunklen Schleier das Original stellenweise zum Vorschein. Byss' Deckenmalerei ist extrem filigran und detailreich, wie ein Leinwandporträt.
»Wir wollen und können aber nicht das gesamte Deckengemälde von Byss wiederherstellen«, erläutert Staschull. Das sei technisch überhaupt nicht möglich, außerdem gehöre der aktuelle Zustand zur Geschichte dieser Kirche. Nur in der Westkuppel, über dem Hauptportal, wird mit einem speziellen Strahlgerät der grüngraue Schleier der Übermalungen wieder entfernt. Darunter kommen zarte Farben zum Vorschein. »Das offenbart ein ganz anderes Raumkonzept«, sagt der Experte.
Teil der 3,5 Millionen Euro teuren Arbeiten in der Hofkirche ist auch die Schaffung eines neuen Zugangs. Das Hauptportal bleibt fortan die meiste Zeit über geschlossen, um den Bau und die Kunstwerke vor eben jenen Klimaschwankungen zu schützen, die ihnen in den vergangenen 50 Jahren so zugesetzt haben. Der neue Seiteneingang im Südhof mit einem Eingangskorridor soll eine Klimaschleuse schaffen und so Feuchtigkeits- und Temperatureinflüsse von außen auf das sensible Innere der Kirche verringern.
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