Der Zirkus ist eröffnet
US-Vorwahlbeginn: Schwache Republikaner suchen Herausforderer für den geschwächten Präsidenten Obama
Barack Obama, der seit 2009 als 44. Präsident der USA und erster Nichtweißer im Weißen Haus sitzt, tritt wieder an, hat aus den eigenen Reihen der Demokraten aber keinen Gegenkandidaten. Daher richtet sich die Aufmerksamkeit vorerst auf die Republikaner. Derzeit bewerben sich sieben Anwärter um den Posten des republikanischen Herausforderers Obamas. Schon Iowa und die nächsten Vorwahlen in New Hampshire und Florida werden das Feld schrumpfen lassen.
Obwohl Obama angeschlagen ist, fehlt den Republikanern zu Beginn der Vorwahlen Optimismus. Die Ursache liegt weniger in harten Fakten als im Profil der Bewerber. Der Präsident verantwortet eine dramatisch hohe Arbeitslosigkeit, Rekordverschuldung, den anhaltenden Afghanistankrieg, gebrochene Wahlversprechen. Zudem sieht er sich latentem Rassismus ausgesetzt. Ein solches Problembündel reicht gemeinhin aus, die Wiederwahl zur Zitterpartie werden zu lassen. Doch Obama ist trotz der Bürden nicht chancenlos.
Gut sieht es allerdings auch nicht bei den Republikanern aus. Zur ersten Vorwahl bestehen Zweifel, ob selbst führende Bewerber die Statur zum Zweikampf mit Obama besitzen. Beobachter fragten am Vorabend von Iowa satirisch: Benötigt der Präsident angesichts solcher Gegner überhaupt Freunde?
Die Häme, die das Republikaner-Feld begleitet, hat mit der radikal destruktiven Haltung der Partei gegenüber allen Vorschlägen der Demokraten zur Entwicklung des Wirtschafts- und Arbeitsmarkts zu tun. Mit dieser Haltung sind viele Wähler wegen der schweren Probleme der USA nicht einverstanden. Vor allem aber widerspiegelt sie, wie auch im Fall des aussichtsreichsten Bewerbers, des früheren Gouverneurs von Massachusetts Mitt Romney, das blasse Profil der Kandidaten. Romney (64), der bereits vor vier Jahren die Kandidatur gegen Obama verpasste, ist zwar der Favorit des republikanischen Apparats, er ist schwerreich (Privatvermögen bis 250 Millionen Dollar) und Liebling millionenschwerer Spender. Doch auch seine Schwächen liegen offen: Er ist im Wählerkontakt hölzern und abgehoben. Als Mormone stößt er auf manche, als Initiator einer liberalen Krankenversicherung in Massachusetts, die der von Obama für den Bund ähnelt, auf beträchtliche Vorbehalte vor allem bei Rechtskonservativen aus der Tea-Party-Bewegung.
Innerparteilich wurde Romney zuletzt vom einstigen Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich (68) bedrängt, einem Darling nicht nur der Anhänger des Tea Party Movement. Strategen der Republikaner graut es vor dem Fall, dass er Kandidat werden sollte. Sie erinnern an die Sprunghaftigkeit und Selbstherrlichkeit Gingrichs. Und sie verweisen auf die chaotische Wahlkampagne, die im Sommer zur Flucht seiner Berater führte, bei gleichzeitig schwachen Finanzen.
Finanziell steht die Romney-Kampagne viel besser da, in inhaltlichen Fragen zur Innen- wie Außenpolitik unterscheiden sich beide unwesentlich. Doch die Ängste des Parteiapparats vor den Folgen einer erfolgreichen Bewerbung Gingrichs für das Duell mit Obama sind unübersehbar. Abgeordnete wie Peter T. King, der in Gingrichs Zeit als Sprecher im Repräsentantenhaus saß, sagen: »Der Mann führt uns in den Abgrund, sollte er nominiert werden.« Natürlich hoffen Obamas Demokraten aus solchen Gründen, dass Gingrich das Rennen bei den Republikanern gewinnt.
So weit ist es jedoch nicht. Obama hängt die Wirtschaftslage mit offizieller Arbeitslosigkeit von 15 und tatsächlicher von bis zu 40 Millionen als Klotz am Bein. Er lässt es wieder und wieder an Entschlossenheit fehlen, Attacken der Republikaner zu begegnen. Allzu oft verharrt er professoral reserviert - und besorgt mitunter das Geschäft der Reaktion selbst. Jüngster Fall: Mit seiner Unterschrift erlaubte Obama zu Jahresbeginn den weiteren Betrieb des völkerrechtswidrigen US-Gefängnisses in Guantanamo, nachdem er in seinem ersten Präsidentenerlass vom 22. Januar 2009, zwei Tage nach Amtseinführung, zugesichert hatte, Guantanamo zu schließen. Tom Parker von Amnesty International meint dazu: »Der Guantanamo-Entscheid macht unbefristete Einkerkerung zum Bestandteil amerikanischen Rechts. Das ist nichts, was man von demokratischen Regierungen erwarten würde. Man kann diesen Schritt als größten Kurswechsel von Obamas Präsidentschaft bezeichnen.«
Auftakt der Vorwahlen in den USA: Heute starten die Republikaner in Iowa mit der Auswahl ihres Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahlen im November. Ob einer der beiden Favoriten - Mitt Romney und Newt Gingrich - oder ein anderer der sieben Bewerber am Ende der Kandidatenkür in allen 50 US-Staaten die Nase vorn haben wird, ist offen. Obwohl die Zerstrittenheit der Republikaner und das fehlende Charisma ihrer Bewerber den Demokraten in die Hände spielen, ist die Wiederwahl von Barack Obama keinesfalls sicher: Die Krise und gebrochene Wahlversprechen lasten schwer auf dem Präsidenten.
Vorwahlen: Vom Caucus bis zur Convention
Die Vorwahlen in den USA sind eine besondere Form der Kandidatenkür und finden in diesem Jahr nur bei den Republikanern statt. Die Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der Konservativen müssen sich in allen 50 Bundesstaaten einem Votum der Wähler stellen.
Primary und Caucus. Es gibt zwei Arten von Vorwahlen: Im Primary-System können Bürger einen Tag lang in einem Wahllokal ihre Stimme abgeben. Dieser Modus gilt in der Mehrheit der 50 Staaten, die erste Primary hält New Hampshire am 10. Januar ab. In manchen Bundesstaaten dürfen nur registrierte Parteimitglieder abstimmen, in anderen sind die Vorwahlen offen für alle. Der Caucus ist dagegen eine Parteiversammlung, bei der sich Mitglieder auf Ortsebene persönlich zur Diskussion treffen und danach abstimmen. In Iowa gilt am Dienstag traditionell das Caucus-System.
Der Super-Dienstag. Nach dem Start in Iowa folgen Vorwahlen in anderen Bundesstaaten in dichtem Takt. Am 6. März wird in mehr als zehn Bundesstaaten gleichzeitig abgestimmt. Bei diesem sogenannten Super-Dienstag kristallisiert sich oft ein klarer Favorit heraus. Bis Ende Juni treffen die restlichen Staaten ihre Entscheidung, die Mehrheiten stehen dann fest.
Die Convention. Der Bundesparteitag der Republikaner in Tampa (Florida) Ende August ist dann nur noch Formsache. Dorthin werden aus den Bundesstaaten Delegierte entsandt, um den Kandidaten aufs Schild zu heben. Die Zahl der Vertreter, die jeder Staat zur Convention entsenden darf, hängt vor allem von seiner Bevölkerungsstärke ab. Die meisten Delegierten sind in ihrem Abstimmungsverhalten an die Vorwahlergebnisse aus ihrem Heimatstaat gebunden. Einige Teilnehmer, wie Gouverneure oder Parteifunktionäre, haben bei ihrer Entscheidung allerdings freie Hand. (AFP/nd)
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