Ursachen werden nicht bekämpft

Dirk Stegemann über die Gefahren des Rechtspopulismus

  • Lesedauer: 3 Min.
Dirk Stegemann ist im Berliner Bündnis »Rechtspopulismus stoppen« aktiv.
Dirk Stegemann ist im Berliner Bündnis »Rechtspopulismus stoppen« aktiv.

nd: In der Politik wird diskutiert, islamkritische Webseiten mehr zu kontrollieren. Ein erstes Zeichen, dass die Politik die Gefahr des Rechtspopulismus erkennt?
Stegemann: Die Forderung nach Entfernung rassistischer Inhalte aus dem Netz, für die u.a. »der Islam« lediglich als Deckmantel fungiert, ist richtig. Doch wichtiger ist, die Ursachen dafür zu bekämpfen, dass derartige Inhalte keinen Resonanzboden mehr finden. Dieser Staat kennt nur eines: die Bekämpfung von Erscheinungen, aber nicht der Ursachen. Dabei geht er selbst oftmals rechtspopulistisch ans Werk. Es gilt, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.

● Was ist dran an Meldungen von einer Radikalisierung der rechten Islamhasser, wie »FR« und »Berliner Zeitung« vermeldeten?
Von einer Radikalisierung würde ich weniger sprechen. Vielmehr scheint es derzeit eine etwas veränderte Wahrnehmung und Sensibilisierung gegenüber Rechtspopulismus und Rassismus zu geben. Insbesondere nach den Attentaten in Norwegen und den Nazimorden des »Nationalsozialistischen Untergrundes«. Hier sind sicher einige aufgeschreckt. Die Gefahr des Rechtspopulismus in der BRD besteht weniger in seinen bestehenden Strukturen und den sie vertretenden Einzelpersonen. Durch rechtspopulistische Gruppierungen werden gesellschaftliche Themen aufgegriffen und rassistisch umgedeutet. Es werden aber auch rassistische Realitäten wie etwa die Ausgrenzung und Diskriminierung von Flüchtlingen, Wohnungslosen etc. staatlicherseits nochmals zugespitzt. Die etablierten Parteien, aber auch Teile der Medien wollen da nicht nachstehen. So wird sich - etwas vereinfacht gesagt - der Ball immer wieder zugespielt und einem beständigen Nach-Rechts-Rutschen der Gesellschaft Vorschub geleistet.

Es gibt Stimmen, die die Bedeutung des Rechtspopulismus für gering halten. Liegen die falsch?
Ich halte es zumindest für fahrlässig, die Gefahren eines Rechtspopulismus angesichts eines latent vorhandenen Rassismus, wachsender sozialer Abstiegs- und Ausgrenzungsängste sowie Rechtsrucks in der Gesellschaft herunterzureden. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist nicht vorbei und deren Auswirkungen in Deutschland im Bewusstsein vieler Menschen noch nicht angekommen. Sowohl Armut als auch soziale Spaltung wachsen aber weiter, die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt und die Verteilungskämpfe nehmen national wie global zu. Ursachenbezogene Lösungsansätze oder eine tiefgreifende Gesellschaftskritik bleibt die herrschende Politik schuldig. Ein idealer Nährboden für Rechtspopulisten und Rassisten auch in Zukunft.

Können sich solche Stimmen nicht durch die Ergebnisse der Berlin-Wahlen bestätigt sehen?
Einstellungsmuster von Wählern müssen sich nicht zwangsläufig im Wahlverhalten ausdrücken. Die Ursachen für das Scheitern rechtspopulistischer und rassistischer Kleinstparteien bei diesen Wahlen, trotz eines vorhandenen, bekannten Wählerpotenzials, sind zudem recht komplex. Angefangen von deren Konkurrenz untereinander, innerer Zerstrittenheit, personeller und infrastruktureller Schwächen bis zum Fehlen einer charismatischen Führungsfigur.

Hat die Wirtschaftskrise nicht den antimuslimischen Populismus zugunsten von Anti-EU-Kampagnen in den Hintergrund gedrängt?
Das mag für die Wahrnehmung der medialen Aufmerksamkeit zutreffen, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bei Menschen, die sich von der Krise betroffen oder bedroht fühlen, eine stärkere Affinität zu Ungleichwertigkeitsdenken und Abwertungsverhalten entwickelt und auf hohem Niveau manifestiert hat. Dies trifft vermehrt auch auf die so genannte bürgerliche Mitte zu, national wie global. Nicht zuletzt deshalb setzen Rechtspopulisten, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, sowohl auf Rassismus unter dem Deckmantel »Feindbild Islam« und »Integrations- bzw. Einwanderungsdebatte«, Marktradikalismus und ungehemmte Konkurrenzgesellschaft einschließlich der Ökonomisierung des Sozialen, als auch auf Nationalismus und das »Feindbild EU« in Verbindung mit dem Kampf gegen die herrschenden Eliten.

Fragen: Peter Nowak

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