Als schnupperte man die Bühnenluft
Ausstellung auf der Burg Beeskow: Ingeborg Voss - Theater im Stenogramm
Dass Ingeborg Voss im Frühjahr ihren 80. Geburtstag feierte, ist kaum zu glauben. Sie ist voller Energie, sprüht vor Begeisterung, wenn sie vom Theater erzählt, vom Zeichnen und Malen überhaupt. Ihre Leidenschaft teilt sie auf zwischen diesen beiden Künsten. Sie ist hingerissen vom Theater, seiner einzigartigen Atmosphäre und von den Menschen, die das Theater erst lebendig machen. Und es macht ihr Freude, flüchtige Augenblicke mit schnellem Stift und sicherem Blick der Nachwelt zu erhalten. Hier die Körpersprache eines Dirigenten, da den Gestus eines Sängers oder Schauspielers, auf einem anderen Blatt die rasante Bewegung eines Tänzers. Unverkennbar, dass sie dem Deutschen Theater besonders verbunden ist.
Dort begann sie ihre Laufbahn 1952, gestaltete unzählige Plakate und Programmhefte. Durch den polnischen Zeichner Tadeusz Kulisiewicz wurde sie zum Genre der Theaterzeichnung angeregt. Großartig sind die wunderbaren Zeichnungen zur Inszenierung von Benno Bessons »Frieden« 1962 im Deutschen Theater. Virtuos hält sie die flüchtigen Momente des Spiels mit wenigen bewegten Strichen und Bögen, Haken und Linien fest. So charakterisiert sie klar und deutlich Szenen, Paare und Einzelfiguren. Manche fühlen sich an Max Schwimmer erinnert, andere an Slevogt. Dennoch hat sie ihren ganz eigenen und unverwechselbaren Stil. Nur selten widmet sie sich dem Detail, wie etwa einem Kostüm oder der Bühnenausstattung, deutet diese meist nur flüchtig an. Mit wenigen zarten Strichen erfasst sie das Wesen einer Szene, des Handlungsablaufs. Und obwohl Ingeborg Voss in ihren Zeichnungen einen hohen Grad an Abstraktion erreicht, bleibt die Realität auf der Rampe erkennbar.
Man meint die Bühnenluft zu schnuppern und die Schauspieler sprechen zu hören. Mittels ihrer Kunst weckt sie Erinnerungen an längst vergangene Aufführungen, berühmte Mimen, und setzt der großen Theaterkunst vergangener Jahre ein gezeichnetes Denkmal. Es ist faszinierend, wie sie Darsteller - von Helene Weigel, Dieter Mann, Kurt Böwe, Peter Schreier bis Dominique Horwitz - in ihren Bewegungen, Gesten und Haltungen treffsicher und genau charakterisiert. Auf unvergleichliche Art dokumentiert sie, wie herausragende Regisseure - u.a. Benno Besson, Harry Kupfer, Wolfgang und Thomas Langhoff - ihre Inszenierungen planten.
Meisterhaft nutzt sie das Weiß des Papiers, die freie Fläche als Stilmittel. Es ist ein Genuss diese virtuosen Zeichnungen zu betrachten, die Festigkeit des Strichs, die zarten Andeutungen, die so viel offenbaren. »Ich möchte gerne, daß es lebendig ist. Ich möchte dieses Leben auf der Bühne festhalten und dem Betrachter nahe bringen«, sagt die Künstlerin, die nicht gerne viel Aufhebens um ihre eigene Kunst macht.
Jahrelang adelten ihre Zeichnungen in diversen Zeitungen die Theaterkritiken, waren treffsicher gezeichnete Kommentare der Aufführung. Ein liebevoll gestalteter Katalog begleitet die Beeskower Ausstellung. Bekannte Künstler griffen zur Feder, um Ingeborg Voss zu ehren, die sie mit ihren Zeichnungen in all den Jahren begleitete. Herausgeberin Marianne Voss machte ihrer Schwester ein schönes Geburtstagsgeschenk. Es zeigt auch, dass sich die Voss'sche Kunst nicht aufs Theater beschränkt. Wunderschön anzusehen ist eine Auswahl zartfarbiger, poetischer Aquarelle nördlicher Landschaften und Federzeichnungen prächtiger historischer Architektur.
Burg Beeskow. Zeichnungen von Ingeborg Voss. Bis 17.11., Di-So 11-17 Uhr. www.beeskow.de
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