»Konklave« von Edward Berger: Der Papst in einem Plastiksack

Regisseur Edward Berger inszeniert in »Konklave« die Papstwahl als Politthriller

  • Susanne Gietl
  • Lesedauer: 5 Min.
Einfach nur Menschen – mit Fehlern, Sünden, Reuen und Schwächen
Einfach nur Menschen – mit Fehlern, Sünden, Reuen und Schwächen

Nichts Geringeres als die sagenumwobene Wahl des Papstes nimmt sich Regisseur Edward Berger in »Konklave« vor. An einem Ort, auf den sich alle Augen der Welt richten, kreiert er nicht nur aufgrund des nuancierten Spiels von Ralph Fiennes einen beklemmenden Politthriller mit Intrigen, Manipulation und überraschenden Wendungen.

Im Interview mit »nd« erklärt Berger, dass es ihm bei der Verfilmung des Bestsellers von Robert Harris um machtpolitische Themen ging, zum Beispiel: Was löst das in Menschen aus, wenn so ein Stuhl der Macht plötzlich vakant wird? Wie holen die Menschen ihre Messer heraus und wie stoßen sie sich gegenseitig in den Rücken? All das wollte er filmisch erforschen. Das »Konklave«, so Berger, sei natürlich interessant, weil es so mysteriös und sagenumwoben sei. Im Film versammeln sich über 100 Kardinäle aus aller Welt, um unter der Leitung von Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) den neuen Papst in der Sixtinischen Kapelle zu wählen. Der Film setzt beim Tod des alten Papstes an.

Mit der Hilfe eines Religionslehrers lernte Edward Berger viel über den Prozess, wenn der Papst gewählt wird. Er erfuhr unter anderem, was geschieht, nachdem der Papst gestorben ist: Sein Siegelring wird ihm abgenommen, das persönliche Siegel abgeschlagen und der Ring sicher verwahrt, bis der nächste Papst ihn mit eigenem Emblem tragen darf. Es war Berger wichtig, möglichst naturgetreu vorzugehen. Bei anderen Szenen nimmt es der Regisseur nicht so genau. Zum Beispiel sei das Casa Santa Marta, eine Art Hotel, in dem die Kardinäle für die Wahl des neuen Kirchenoberhaupts untergebracht sind, in der Realität sehr hässlich gewesen.

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Also baute Berger ein anderes, sehr dunkel gestaltetes Hotel, bei dem die Wände mit schwarzem und weißem Marmor verkleidet sind. Es passte besser in sein klares Farbkonzept. Berger, der mit Hilfe von Kulissenbauerin Suzie Davies die Sixtinische Kapelle in den Cinecittà Studios Rom rekonstruierte, waren vor allem die Gegensätze wichtig: »Der großen ekklesiastischen Architektur der Kapelle steht nun die Casa Santa Marta als oppressives, fast düsteres Gefängnis gegenüber. Der Ort sollte etwas Enges, Klaustrophobisches an sich haben. Wenn Ralph Fiennes die Tür zu seinem Zimmer schließt, saugt es den Ton aus dem Raum. Man hört nur noch seinen Atem und das Summen des Neonlichts.« Da auch die Fenster im Casa Santa Marta verschlossen bleiben, dringt kein Geräusch von außen ins Innere des Hotels. Diese Atmosphäre spürt man.

Gemeinsam mit Kardinal Lawrence betritt man dieses Hotel. Anfangs wird über seine Schulter hinweg gefilmt, später wird man ihn dabei beobachten, wie er Nachforschungen anstellt, um den wahren Papst zu finden. Die Kardinäle tuscheln im Treppenhaus und taktieren in ihren Schlafzimmern, während Lawrence immer mehr in den Fokus der Wahl rückt. In Ralph Fiennes Augen liest man den verzweifelten Gefühlszustand seiner Figur ab, der es mit jedem erfolglosen Wahlgang die Kehle ein bisschen mehr zuschnürt. Der nervenaufreibende Wahlgang stellt selbst seine Freundschaft mit Bellini (Stanley Tucci) auf den Prüfstand.

Allein durch den Atem von Ralph Fiennes gewinnt der Film an Intensität. Als Fiennes im Nachvertonungsstudio den gesamten Film sah, zeichnete Edward Berger den Schauspieler auf, wie er live auf seine Figur reagierte. Atmete. »Das haben wir dann im Film benutzt, um ihn in jedem Moment zu fühlen. Wallender Stoff, Schritte auf Marmor … Gerade in der Stille sind diese einzelnen Töne wahnsinnig wichtig.«

Musikalisch arbeitete Edward Berger zum fünften Mal mit Volker Bertelmann zusammen. Er kreierte dissonante Klänge mit einem Orchester mit bis zu 40 Streichinstrumenten, Schlaginstrumenten und einem Klavier, das er vielseitig einsetzte. Er kratzte mit seinen Händen an den Klavierseiten oder tapte die Seiten, um darauf zu trommeln. Außerdem griff er zu einem ungewöhnlichen Instrument: Das Cristal Baschet besteht aus Glasstäben, an denen sich nasse Finger reiben. Es entwickelte sich zum wichtigen Instrument der Partitur.

»Wir wollten keine Filmmusik, wie sie traditionell so oft verwendet wird. Sie sollte sich mit dem Bild reiben, sie sollte Schläge versetzen, die uns fast anspringen und attackieren«, so Berger. Für ihn sei Musik ein Mittel, »um einen Dialog mit dem Bild zu schaffen, einen Kontrast, der mich aufweckt und eine innere Spannung kreiert. Durch die Musik sollte man verstehen, was im Inneren von Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) vorgeht.«

Dabei orientierte sich Edward Berger an Alan J. Pakulas Verschwörungsthrillern »Die Unbestechlichen« oder »Zeuge einer Verschwörung«. Berger: »Das Tempo ist eher langsam, aber man denkt: Die Wände haben Ohren.« Das Gefühl hat man auch bei »Konklave«. Auch weil man den Kardinälen menschlich näherkommt.

In Rom erkannte Berger, als er seinen Espresso trank und eine Nonne beim Rauchen beobachtete, was er noch in den Film einbringen wollte: »Wir erheben die Geistlichen immer auf ein Podest und denken, sie sind heilig und wissen alles besser als wir, weil wir meinen, sie hätten das Geheimnis des Lebens erfasst; aber sie sind einfach nur Menschen wie du und ich. Mit Fehlern, Sünden, Reuen und Schwächen. Der Papst endet in unserem Film deshalb auch in einem Plastiksack hinten in der Ambulanz.« Bei der Ankunft in Rom stehen im Film ein paar Kardinäle in der Raucherecke, ein anderer checkt sein Smartphone.

Visuell setzt Berger auf ein klares Farbkonzept aus Schwarz (Die Nonnen, das Hotel) und einem reichhaltigen Rot, wie man es auf alten Renaissancebildern oder Fotos aus den 50er und 60er Jahren sehen kann. Auch im Hotel findet sich diese Sattheit in Form eines roten Teppichs wieder, der zum leeren Zimmer des verstorbenen Papstes führt.

Immer wieder findet Berger gemeinsam mit Kameramann Stéphane Fontaine neue Bilder für den eigentlich recht unspektakulären Wahlgang. Schwarzer Rauch steigt auf, wenn es zu keiner Mehrheitsentscheidung während des Wahlvorganges gekommen ist, weißer Rauch, wenn der Papst gewählt wurde. Schwarz sind die Regenschirme bei der Ankunft der Kardinäle, später sind sie weiß. Edward Berger überlässt eben nichts dem Zufall, sondern zelebriert die Perfektion in allen Gewerken und erschafft damit ein Meisterwerk.

»Konklave«, UK/USA 2024. Regie: Edward Berger; Buch: Peter Straughan & Robert Harris, basierend auf dem Roman von Robert Harris. Mit: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rosselini. 120 Minuten. Start: 21. November.

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