Griechische Abwärtsspirale
Gläubiger-Troika kommt zum Kontrollbesuch und fordert von Athen Lohnkürzungen auch in der Privatwirtschaft
Die Abgesandten von EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) wollen heute die Fortschritte der griechischen Regierung beim Abbau von Haushaltsdefizit und Staatsschulden kontrollieren. Von den Ergebnissen hängen unter anderem die Verhandlungen um die neuen Kredite in Höhe von 130 Milliarden Euro ab, die Athen im Oktober vergangenen Jahres in Aussicht gestellt worden sind.
Ein einfacher Blick auf einige in der Vorwoche veröffentlichte Zahlen hätte jedoch genügt, um zu erkennen, dass die verordnete Austeritätspolitik lediglich dazu führt, den Mittelmeerstaat immer tiefer in die Krise zu führen. Alle Milliardenkürzungen bei Renten und Löhnen im öffentlichen Dienst im Jahr 2011 haben das Defizit nicht wie geplant auf 7,6, sondern nur auf 9,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt, etwa ein Prozent weniger als 2010. Die Arbeitslosigkeit dagegen wuchs von 13,5 Prozent im Oktober 2010 auf 18,2 Prozent ein Jahr später.
In absoluten Zahlen gingen danach täglich 832 Arbeitsplätze für die etwa fünf Millionen erwerbsfähigen Bürger verloren. Während die Steuereinkünfte des Staates durch die anhaltende Rezession immer weiter zurückgehen, reißen steigende Arbeitslosigkeit und die zunehmende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen immer größere Löcher in die staatlichen Sozialversicherungskassen.
Geht es nach dem Willen der Gläubiger-Troika, dann soll diese für die Mehrheit der Griechen katastrophale Politik nun noch verschärft werden. Dienten die brutalen Kürzungen der Gehälter aller öffentlichen Angestellten angeblich dem Abbau des Haushaltsdefizits, soll nun im Namen der Wettbewerbsfähigkeit die Schere auch bei den Lohnabhängigen in der privaten Wirtschaft angesetzt werden. Konkret schweben der Troika dabei die Kürzung des Mindestlohns von derzeit 751 Euro Brutto im Monat, langjährige Nullrunden und die Streichung des 13. und 14. Monatsgehaltes vor.
Lohnangelegenheiten in der privaten Wirtschaft werden in bürgerlichen Demokratien allerdings in der Regel nicht vom Staat vorgegeben, sondern von den Tarifpartnern ausgehandelt. Der Gewerkschaftsdachverband in der privaten Wirtschaft GSEE hat denn auch bereits angekündigt, weder beim Mindestlohn noch bei den beiden zusätzlichen Monatsgehältern Abstriche zu dulden.
Bei den für Mittwoch angesetzten Gesprächen mit dem Unternehmerverband SEV will man nur über andere Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, darunter die Senkung der Lohnnebenkosten, verhandeln. Daran ist auch der Unternehmerverband interessiert, der sich ebenfalls gegen eine Senkung des Mindestlohns ausgesprochen hat. Eine Streichung oder zumindest Kürzung des 13. und 14. Monatsgehalts dagegen wird auch von ihm verlangt.
Sollten sich die Tarifpartner nicht freiwillig den Forderungen der Troika beugen, hat die griechische Regierung bereits angedroht, die Kürzungen per Gesetz umzusetzen. Damit würde nach der Aushebelung des Parlamentarismus durch die Einsetzung eines von niemandem gewählten Ministerpräsidenten ein weiteres Prinzip der bürgerlichen Demokratie ad acta gelegt. Für ihn gebe es nur eine rote Linie, die Rettung des Landes, hatte Ministerpräsident Papademos im Parlament auf die Frage des Fraktionschefs der Linksallianz SYRIZA nach der Haltung der Regierung zu den Forderungen der Troika geantwortet.
Hatte sein Vorgänger Giorgos Papandreou die Kürzungen im öffentlichen Dienst noch als »Streichung von Privilegien gegenüber den Geringverdienern in der privaten Wirtschaft« bezeichnet, verlangt der Ex-Banker Papademos nun gerade von ihnen Opfer. Und mahnt in kaum zu überbietendem Zynismus, man solle doch an die Arbeitslosen denken, die »weder Mindestlohn noch 13. und 14. Gehalt beziehen«.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!