Sympathisch ungeheuchelt
Michael Skibbe will mit Hertha BSC den Abstieg verhindern - doch das reicht nicht in Berlin
Kuschelig fand Michael Preetz die Atmosphäre am Donnerstag im kleinen provisorischen Presseraum: »Wir müssen alle etwas enger zusammenrücken.« Das passe ganz gut zur Situation, schob der Manager von Hertha BSC hinterher. Die Trennung von Trainer Markus Babbel hat den Berliner Fußball-Bundesligisten scheinbar entzweit. Mehr wollte Preetz zu der von gegenseitigen Lügenvorwürfen begleiteten Entlassung, in der auch er selbst keine gute Figur gemacht hatte, nicht sagen. Nur noch nach vorn wolle man den Blick richten.
Zunächst heißt das erst mal nach Nürnberg. Heute startet Hertha bei den Franken in die Bundesliga-Rückrunde. »Ich erhoffe mir Zählbares«, so Preetz. Beide Klubs trennen nur zwei Punkte. Da wäre ein Unentschieden oder gar ein Sieg beim Viertletzten schon ein großer Schritt im Kampf um den Klassenerhalt. Doch wichtig ist das Spiel für die Berliner nicht nur mit Blick auf die Tabelle.
Neben Preetz saß Michael Skibbe. Sie waren um Einigkeit bemüht. »Wir wollen einen Neuanfang wagen«, wiederholte der neue Trainer die Meinung des Managers mit seinen eigenen Worten. Die Motivation beider ist dennoch verschieden. Michael Preetz will nach den turbulenten Wochen am Ende der Hinrunde unbedingt Ruhe in den Verein bekommen. Und Ruhe bedeutet aus Sicht eines Managers auch Kontinuität auf der Trainerposition.
Drei Entlassungen und ein Abstieg fallen in seine zweieinhalbjährige Amtszeit, zuletzt hat sein Ruf in der Auseinandersetzung mit Babbel stark gelitten. Der sofortige Wiederaufstieg in die Bundesliga war eher Pflicht als Glanzleistung. Der Klassenerhalt in dieser Saison ist es ebenso. Preetz muss Erfolge vorweisen und hofft, mit Skibbe den richtigen Trainer dafür gefunden zu haben. Eine Niederlage zum Rückrundenauftakt beim direkten Konkurrenten Nürnberg würde, ob berechtigt oder nicht, erste Zweifel an dieser Entscheidung laut werden lassen. An Ruhe wäre erst gar nicht zu denken.
»Ich freue mich, dass es endlich losgeht«, konnte Michael Skibbe am Donnerstag den Anpfiff kaum noch erwarten. In einem Nebensatz verriet er, warum. Weil er sehr gern in der Bundesliga angestellt sei. Erfrischend ehrlich - und sympathisch, auf geheuchelte Bekenntnisse zu einem Verein zu verzichten, bei dem er seit zwei Wochen im Amt ist und zu dem er zuvor keine Beziehung hatte. Nach seinem halbjährigen Ausflug in die Türkei zu Eskisehirspor und zuvor drei Entlassungen in der Bundesliga will er sich einfach wieder neu beweisen.
Dieses Vorhaben geht Skibbe selbstbewusst an: »Es wird keinen Abstieg geben.« Sein Eindruck von der Mannschaft sei gut, die kurze aber intensive Vorbereitung stimme ihn optimistisch. Er wählt den Klassenerhalt als »realistisches Ziel«, will diesen aber sicher und möglichst frühzeitig erreichen. Denn Skibbe weiß: Um sich zu beweisen, benötigt er Erfolge. Hertha BSC ist für ihn eine Chance. Für Preetz ist Skibbe wohl die letzte Chance bei Hertha. Es muss funktionieren. Die erste Chance für alle bietet sich heute in Nürnberg.
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