Schuften unterhalb der Wasserlinie

Auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten die meisten Seeleute für einige wenige Dollar rund um die Uhr

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Traumjobs gibt es auf Traumschiffen nur in den oberen Etagen. Die meisten Seeleute schuften für einen Hungerlohn, die Fluktuation ist hoch.

Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff klingt wie »der« Traumjob. Aber für die meisten Beschäftigten an Bord ist die Arbeitswelt eher ein Albtraum: 13 bis 14 Stunden pro Tag servierten indische Kellner Essen und Getränke an Bord der havarierten »Costa Concordia«. Die philippinische Reinigungsfrau auf einem deutschen Traumschiff verbringt ihren kurzen Feierabend in einer fensterlosen Minikabine mit zwei Kolleginnen. Und der peruanische Hilfsmechaniker pflegt monatelang Tag für Tag tief unterhalb der Wasserlinie bei brütender Hitze zig Kilometer Rohre.

Die Arbeitswelt an Bord bietet indes auch Schönes. Kreuzfahrtschiffe sind schwimmende Hotels und kleine Städte zugleich, entsprechend bunt ist das Jobangebot, vom Kellner bis zum Kapitän, vom Buchhalter über den Bäcker bis zu »Beauticians« im Friseursalon. Der Bedarf an Arbeitskräften in der boomenden Branche ist riesengroß, auch weil die Fluktuation hoch ist: Die Aussteigerquote schon auf der ersten Fahrt liegt bei 15 Prozent, berichtet die Agentur für Arbeit im thüringischen Suhl, die sich auf Jobs »rund um das Meer« spezialisiert hat. Länger als drei, vier Jahre bleibe kaum einer der meist jungen Leute der Seefahrt treu. Daher werben Reedereien emsig auf flotten Internetseiten, mit eigenen Ausbildungsakademien oder über Mitarbeiterempfehlungsprogramme - wer einen Freund vermittelt, erhält einen Bonus.

Entsprechend einträglich werden die Neuen an Bord bezahlt, wenn sie aus Deutschland oder der EU stammen und die gesuchte Qualifikation mitbringen. »Es ist es gang und gäbe, dass europäische Seeleute nach drei Monaten Einsatzzeit abgelöst werden und während des Urlaubs die gleiche Heuer erhalten wie auf See«, berichtet die Gewerkschaft ver.di. Zudem sind deutsche und EU-Seeleute samt Familienmitgliedern krankenversichert, sie haben zudem eine Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Doch das ist nur die Sonnenseite. Selbst bei Vorzeigereedereien wie AIDA oder Hapag-Lloyd dürfte nur etwa ein Drittel des Personals an Bord aus der EU kommen. Gewerkschafter beklagen daher seit Längerem eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Kreuzfahrtindustrie.

Hinter der schillernden Fassade sehen die Bedingungen für die Masse der oft weiblichen Mannschaften weit schlechter aus: Reinigungskräfte, Hilfskellnerinnen, Küchenhilfen, Lagerarbeiter, Ma-trosen und Mechaniker stammen aus zwei, drei Dutzend Ländern. Diese Seeleute kommen überwiegend aus Osteuropa und Südostasien. 25 Prozent der Seeleute auf den Weltmeeren sind auf den Philippinen zu Hause, die meisten haben Familie. Recruiting-Büros von Reedereien wie Costa und seinem US-Mutterkonzern Carnival sowie freie Menschenmakler sieben das Personal aus. Vor allem Discounter unter den Kreuzfahrern (und ihre Kunden), die mit All-inclusive-Preisen von etwa 100 Euro pro Tag kalkulieren, profitieren vom Arbeitsplatzmangel in vielen Regionen der Welt. So kommen auf jeden philippinischen Seemann mit Job drei ohne. Die Arbeit auf Kreuzfahrern gilt als attraktiver denn auf Containerfrachtern. Und auf einem philippinischen Fährschiff kriegen Matrosen etwa 300 Dollar im Monat. An Bord der havarierten »Costa Concordia« erhielt eine Reinigungskraft wenigstens 450 Dollar im Monat, ein Kellner 500 Dollar, berichten italienische Medien. Üblich sind nach Gewerkschaftsangaben für Billigjobs auf Kreuzfahrtschiffen zwischen 800 und 1800 Dollar.

In der lahmenden Touristikbranche galt die Kreuzfahrtindustrie bislang als ein lukratives Geschäftsfeld. Nach den USA und Großbritannien ist der deutsche Hochseemarkt weltweit der drittgrößte. Und es sind vor allem amerikanische und britische Reedereien, auf deren Schiffen weit mehr als eine Million Bundesbürger 2011 meistens eine Woche Urlaub verbrachten. Auf drei bis vier Gäste kommt im Durchschnitt ein Beschäftigter. Auf der vor der Toskana havarierten »Costa Concordia« arbeiteten planmäßig 1027 Besatzungsmitglieder, bei maximal 3780 Passagieren. Auf den noch größeren Luxuslinern der gehobenen Preisklassen arbeiten bis zu 2000 Menschen.

Weltweit werden rund 150 000 Menschen an Bord der meist unter Billigflagge fahrenden Traumschiffen beschäftigt, schätzt die Internationale Transportabeiterföderation. Der Boom der Lustreisen habe das Leben an und vor allem unter Bord schwieriger gemacht. »Die Crews arbeiten härter und länger als je zuvor«, hat die Gewerkschaft beobachtet. »Doch was immer passiert: Wenn du in Kontakt mit den Passagieren kommst, hast du um jeden Preis zu lächeln.«

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