Blockierte Straßen
In Italien legen einige Transportunternehmer den Verkehr lahm
In Italien gibt es etwa 120 000 Transportunternehmen, von denen 95 000 weniger als fünf und oft nur einen Lastwagen besitzen. Seit über einer Woche legen sie Italien praktisch lahm, so dass an zahlreichen Tankstellen inzwischen der Treibstoff fehlt, die Obst- und Gemüseregale in vielen Läden leer sind und jetzt sogar einige Fabriken, darunter Fiat, die Produktion stoppen mussten. Lastwagen blockieren wichtige Verkehrsknotenpunkte oder fahren auf den Autobahnen im Schritttempo. In den letzten Tagen hatten immer mehr »Streikbrecher« aufgeschlitzte Reifen. In der piemontesischen Stadt Asti wurde jetzt ein Demonstrant von einem Lkw überrollt und getötet, der von einer 52-jährigen Deutschen gelenkt wurde. Es habe sich offenbar um einen Unfall gehandelt, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die örtliche Polizei.
Von einem regulären Streik kann hier nicht die Rede sein. Angeführt wird der Protest von einem Teil des kleinen Interessenverbandes Transporto Unito, der höchstens 7000 Mitglieder hat. Der weit größere Verband Unatrans hat der Arbeitsniederlegung nicht zugestimmt. Überhaupt werden viele Regeln eines legalen Arbeitskampfen von der Vorankündigung bis zur Repräsentativität der Organisationen nicht befolgt. Auch die Ziele des Protestes sind eher schwammig: Die Transportunternehmen sind gegen die hohen Benzinpreise (die Regierung hat im letzten Monat die Treibstoffsteuer erhöht), aber auch gegen die Autobahngebühren, die Versicherungspolicen und die Einkommensteuersätze.
Doch warum kann eine so kleine Schar einen so hohen Schaden anrichten - Schätzungen sprechen von einer zweistelligen Millionensumme täglich? Dazu muss man wissen, dass im Mittelmeerland etwa 87 Prozent des Warenverkehrs über die Straße laufen. Alle Regierungen der Nachkriegszeit haben zwar versprochen, diese Situation zu ändern, dann aber doch nie etwas getan.
Inzwischen steht auch ein anderer Verdacht im Raum. Die Bewegung hat ihren Ursprung auf Sizilien. Der Vorsitzende des Unternehmerverbandes der Region, Ivan Lobello, erklärte, er gehe davon aus, dass die Mafia diesen Protest zumindest immer wieder anfache und für ihre Zwecke missbrauchen wolle. Allerdings ist auch klar: Da immer mehr Italiener unter der wirtschaftlichen Misere leiden, sind viele bereit, sich irgendeinem Protest anzuschließen, um ihrem Unmut Luft zu machen.
Derzeit streiken nicht nur Transportunternehmer: Seit die Regierung Monti beschlossen hat, die Regelungen für die Vergabe von Taxi-Lizenzen zu lockern, sind die Fahrer in Aufruhr. In vielen Großstädten wie Rom, Bologna und Neapel haben sie bereits den Verkehr lahmgelegt. Ein Ende ihres Protestes ist noch nicht in Sicht.
Innenministerin Annamaria Cancellieri erklärte am Dienstag auch auf Druck aus Brüssel, sie werde keine weiteren Verkehrsblockaden mehr dulden. »Wir sind zum Dialog mit jedem bereit«, sagte sie. »Aber gleichzeitig werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, damit die Gesetze auch respektiert werden«.
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