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Kleiner Sieg
Hans-Christian Ströbele (MdB), friedens- und freiheitsbewegt und immer irgendwie anders
Vor ein paar Monaten versuchten Friedensbewegte, das Kanzleramt zu umzingeln, um klar zu machen, dass die Mehrheit des Volkes den Afghanistan-Krieg ablehnt. Am Rande stand ein Mann mit Fahrrad - lang, knochig, weißes Strubbelhaar, buschige Augenbrauen, T-Shirt unterm Hemd: Hans Christians Ströbele, Abgeordneter der Bündnisgrünen im Bundestag, ewig auf Seiten derer, die kämpfen und selten gewinnen. Plötzlich war er umringt: »Deine Sch..grünen, kein Krieg, zu dem ihr nicht Ja und Amen sagt.« Ströbele verteidigte sich. Er will, dass Schluss ist damit, stimme jetzt auch so ab. Na dann sag's laut, bekam er zu hören.
Genau das will er seit Jahren. Doch die Räson seiner Fraktion ließ das nicht zu. Am Donnerstagabend hatte er dann doch das große Mikrofon. Und Ströbele sagte: »Ich bin dagegen, dass die Bundeswehr sich ein weiteres Jahr an diesem grausamen Krieg in Afghanistan beteiligt ... Es werden Tausende weitere Menschen getötet und noch viele mehr verwundet durch Anschläge und Angriffe der Aufständischen und durch offensive Operationen der Interventions-Streitkräfte.« Ströbele versuchte es mit simpler Logik: »Wenn man die, mit denen verhandelt werden soll, auf Todeslisten setzt, jagt und tötet, werden ernsthafte Gespräche hintertrieben.« Doch die Grünen - nicht Ströbele - haben sich längst eingerichtet, oft wider simple Logik.
Ströbele wurde 1939 in Halle an der Saale geboren. Hätte die US-Army seinen Vater, einen BUNA-Wissenschaftler, nicht vor den nachrückenden Russen »gerettet«, wäre dessen Sohn womöglich über die FDJ in die SED ... Nein, kaum denkbar das. Der junge Ströbele studierte Recht und Politologie in Heidelberg und Westberlin, heiratete in Paris, unterstützte als Anwalt zahlreiche verhaftete Studenten. Ein 68er eben. Der trotzdem SPD-Mitglied war. Ab 1970 verteidigte er Leute von der Rote-Armee-Fraktion, wurde selbst verurteilt. 1980 ging's los mit den Grünen, später im Bundestag. Dort gehört er nun mit Berliner Direktmandat zum Urgestein, kümmert sich um Außenpolitik, Hanf und Geheimdienste, eckt an bei Feind und Freunden und hat nun einen kleinen Sieg errungen. Gegen die Mehrheit seiner Fraktion die Stimme zu erheben.
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