Der »grüne Kapitalismus« ist kein Ausweg

Weltsozialforum in Porto Alegre stellt Umweltfragen in den Mittelpunkt

  • Gerhard Dilger, Porto Alegre
  • Lesedauer: 3 Min.
Plakative Kapitalismuskritik ist auf dem Weltsozialforum (WSF) angesagt. Bei der Formulierung von Alternativen zum herrschenden System rückt der »Commons«-Diskurs allerdings langsam in den Vordergrund.

Am Samstag wurde das alte Gaswerk von Porto Alegre, ein städtisches Kulturzentrum am Ufer des Guaíba-Flusses, zum wichtigsten Treffpunkt der angereisten Umwelt- und Sozialaktivisten. Ureinwohnerinnen aus Ecuador und Peru, Studenten aus Chile, Intellektuelle aus Frankreich, Nordafrika oder Palästina, Kleinbauern, Funktionäre von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschafter aus Brasilien tummelten sich auf der »Versammlung der sozialen Bewegungen«.

In diesem Jahr steht das Weltsozialforum (WSF) mit dem Titel »Thematisches Sozialforum« ganz im Zeichen des UN-Umweltgipfels Rio+20, zu dem im Juni zahlreiche Staats- und Regierungschefs am Zuckerhut erwartet werden. Nun rücke der »Kampf um Umweltgerechtigkeit« ins Zentrum, heißt es denn auch in der Abschlusserklärung der sozialen Bewegungen, der »grüne Kapitalismus« sei kein Ausweg aus der Krise.

Banken, Konzerne und die ihnen ergebenen Regierungen strebten die totale Kontrolle über die natürlichen Ressourcen an. Agrotreibstoffe, Gentechnik, Geoengeneering oder den Emissionshandel bezeichnen die Aktivisten als »falsche Lösungen«. Bewegungen wie der arabische Frühling, »Occupy Wall Street«, die »Empörten« in Spanien oder Griechenland und die chilenischen Studenten gäben der globalisierungskritischen Bewegung neuen Auftrieb.

»Wenn wir nicht die Menschen auf die Straße bringen und einig auftreten, haben wir in Rio keine Chance«, so die Südafrikanerin Mercia Andrews. Dies habe sich auf dem letzten UN-Klimagipfel gezeigt, der vor Kurzem in ihrer Heimat stattfand. »Außerdem müssen wir uns mit der Basis kurzschließen, uns ein Mandat von unseren Leuten holen«, fügt sie hinzu. Ob ihr Appell auf fruchtbaren Boden fällt, bleibt indes fraglich: Niemandem im Gaswerk fiel es ein, ihre Zwei-Minuten-Rede ins Spanische oder Portugiesische zu übersetzen.

Die Versammlung war nur ein Beispiel dafür, wie das Weltsozialforum elf Jahre nach seiner Gründung all zu oft in Ritualen erstarrt: In vielen Kurzbeiträgen werden recht plakativ und in Kämpferpose »der Kapitalismus« und »der Imperialismus« gegeißelt, eine wirkliche Debatte bleibt hingegen aus. Dass Gastgeber Brasilien auf seine Weise ein Protagonist der Green Economy ist, wird verschämt verschwiegen - all zu viele Anwesende stehen zumindest indirekt in einem Abhängigkeitsverhältnis von der Regierung, die nach dem WSF auch im Juni dem »Gipfel der Völker« logistisch und finanziell großzügig unter die Arme greifen will.

»Es ist ein komplizierter Moment für die sozialen Bewegungen hier«, sagt Nicola Bullard von der linken Denkfabrik »Focus on the Global South« aus Bangkok diplomatisch. Zudem frage sie sich immer mehr, ob das Weltsozialforum ein wirkungsvolles Instrument für die »neuen Proteste« in verschiedenen Teilen der Welt sei - die Großveranstaltung 2013 soll in Nordafrika stattfinden.

Zudem beeinträchtigen Organisationschaos und mangelnde Transparenz auch dieses Jahr wieder die Aktivitäten - und das ausgerechnet in der WSF-Wiege Porto Alegre. Viele Veranstaltungen wurden kurzfristig verlegt. Von der wohl spannendsten Debatte, der Arbeit an einem umfassenden Alternativkonzept für Rio, bekommen viele Teilnehmer gar nichts mit. Es ist als Antwort auf die geplante Abschlusserklärung der Regierungen auf dem Umweltgipfel gedacht, in der auf Wirtschaftsliberalisierung und Wachstum gesetzt wird.

In Porto Alegre kristallisieren sich die »Commons«, die Gemeingüter, als neue Leitlinie heraus. Der alte Gegensatz zwischen Markt und Staat sei nur noch sehr bedingt tauglich, um Auswege aus der Krise aufzuzeigen, meint die Commons-Expertin Silke Helfrich aus Jena: »Wir müssen eine neue Begrifflichkeit für die Welt entwickeln, die wir wollen. Auf diesem Weg sind wir hier einen Schritt vorangekommen«.

So wird im ersten Entwurf eine »radikale Demokratisierung von Wirtschaft und Politik« gefordert. »Statt des Monopols des Privateigentums schlagen wir soziale Eigentumsformen vor, um die Kon-trolle, die Verwendung und den Erhalt der Ressourcen zu garantieren«, heißt es da. Die lebensnotwendigen Gemeingüter wie Luft, Energie, Land, Wasser, Wälder oder Artenvielfalt müssten dem »Zugriff der Märkte und des Finanzkapitals« entzogen werden.

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