Auslaufmodell stoppt den FC Bayern

Beim 1:1 in Hamburg scheitern die Münchner an ihren egoistischen Stars

  • Erik Eggers
  • Lesedauer: 3 Min.

Als David Jarolim das Spielfeld verließ, waren viele unter den 57 000 Zuschauern aufgestanden, Sprechchöre feierten den Tschechen in der Nachspielzeit, kurz bevor das 1:1 (1:0) zwischen dem Hamburger SV gegen den FC Bayern München besiegelt war. Welche ironische Wendung. Hatte der HSV doch Jarolim noch vor einigen Tagen nahegelegt, den Klub zu verlassen, und zwar ablösefrei. Der 32-Jährige war geschmäht worden als Anti-Fußballer, als trauriges Relikt einer vergangenen Ära - zu wenig Technik, zu alt, zu langsam.

Doch plötzlich wird der defensive Mittelfeldspieler wieder gewürdigt als eine der wichtigsten Säulen in der Hamburger Defensive. »Er ist sehr erfahren, und das brauchten wir nach dem 1:5 gegen Dortmund«, sagte HSV-Trainer Thorsten Fink nach dem Abpfiff. Womöglich lag es auch an dieser Personalie, dass die Profis des FC Bayern so deprimiert in die Kabine schlichen, als sie nach den Toren von Jacopo Sala (23. Minute) und Ivica Olic (71.) die Tabellenführung an Borussia Dortmund verloren hatten: Weil sie gescheitert waren an Jarolim, dem lebenden Anachronismus.

Die Münchner Profis versuchten erst gar nicht, ihren tiefen Frust über den schlechten Rückrundenstart zu verbergen. »Das reicht so nicht für die Meisterschaft«, sagte Olic. Noch deutlicher wurde Thomas Müller: »Mich ärgert das Unentschieden immens, weil viel mehr drin war. Eigentlich bist du enttäuscht, andererseits kannst du das Spiel auch nicht schlecht reden, deswegen stehen wir gerade ein wenig im Nichts.«

Im Nichts stand auch Mario Gomez. Der Mittelstürmer bekam in den 90 Minuten keine einzige Möglichkeit, ein Tor zu erzielen. Diese nackte Statistik belegt am eindrucksvollsten, woran es in der Bayern-Offensive hapert. Zwar landeten genügend Bälle bei Arjen Robben und Franck Ribéry, der gerühmten Flügelzange. Aber aus diesen Situationen sprangen nur einige Weitschüsse heraus.

Beide Flügelstürmer rasen, das ist auf den ersten Blick beeindruckend, zwar im Hochgeschwindigkeitsmodus gen gegnerisches Tor. Da sie aber oft sehr lange den Ball führen und, vor allem Robben, oft zu egoistisch agieren, verlangsamen sie in Wirklichkeit die Angriffe. Am Samstagabend entschleunigten die beiden Stars das Spiel so sehr, dass sich sogar die keineswegs überragende HSV-Defensive bestens postieren konnte. Angreifern wie dem zentralen Mittelfeldspieler Müller und Gomez nimmt diese Spielweise einen großen Teil ihrer Gefährlichkeit: Am Samstag gab es Szenen, in denen Müller den Niederländer Robben geradezu anflehte, einen Pass an die Mitspieler wenigstens in Erwägung zu ziehen.

»Zum Teil war es überhastet, zum Teil der letzte Pass nicht präzise. Da fehlt uns die Selbstsicherheit«, analysierte Trainer Jupp Heynckes die Schwäche, Überlegenheit in der Technik und im Spielaufbau in zwingende Chancen umzumünzen. Die Einwände, mit Müller auf dem rechten Flügel und Toni Kroos im offensiven Zentrum seien in der Hinrunde die Kombinationen im Angriff flüssiger und effektiver vorgetragen worden, quittierte er mit Kopfschütteln: »Ich glaube nicht, dass es an der Konstellation liegt«.

Der Trainer begründete den aktuellen Zustand der Harmlosigkeit vielmehr damit, dass Bastian Schweinsteiger aufgrund der kurzen Vorbereitung noch nicht in Topform sei. Und auch Robben und Ribéry hätten nicht voll trainieren können. »In der Hinrunde haben wir auch etwas Anlauf gebraucht«, so Heynckes.

Aber damals, lässt sich angesichts des 5:0-Hinrundenerfolgs gegen den HSV einwenden, hatte sich der FC Bayern durch fußballerische Auslaufmodelle wie Jarolim nicht stoppen lassen.

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