Kuba siegt an der diplomatischen Front
50 Jahre Blockade: Die Zustimmung in der UNO für eine Aufhebung des Embargos steigt von Jahr zu Jahr
In Deutschland macht die Wirtschaftsblockade der USA gegenüber Kuba selten Schlagzeilen. Eine Ausnahme war das Jahr 2011. Der Online-Bezahldienst PayPal mit Sitz in den USA und europäischer Tochter in Luxemburg sperrte mehreren Unternehmen, die kubanische Waren vertreiben, die Konten. Die Begründung: Verstoß gegen das Embargo. Das Vorgehen entpuppte sich freilich als Schlag ins Kontor: Die Drogeriemarktkette Rossmann beispielsweise reagierte auf Drohungen von Paypal mit der Entscheidung, keine Zahlung mehr über den Dienst anzubieten. Und die Sammelklage mehrerer Internethändler gegen PayPal endete mit einem Vergleich, der die Aufhebung der Kontensperrung beinhaltete - allerdings auch die Zusage der Händler, keine kubanischen Waren mehr über Paypal abzurechnen.
Der Fall Paypal zeigte einmal mehr, dass das USA-Embargo gegen Kuba keine Sache zwischen zwei verfeindeten Staaten ist, sondern eine höchst internationale Angelegenheit. Denn seit dem Inkrafttreten des Embargos am 7. Februar 1962 im Gefolge der 1961 gescheiterten US-Invasion in der Schweinebucht wurde es mehrfach verschärft und internationalisiert. Insbesondere der Torricelli Act von 1992, mit dem das Embargo Gesetzesstatus erlangte, und der 1996 verabschiedete Helms-Burton Act sollten den Karibikstaat nach dem Zusammenbruch des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe ökonomisch strangulieren und den Regimewechsel bewirken.
Das nach dem demokratischen Abgeordneten Robert Torricelli benannte Gesetz zielte auf eine massive Einschränkung der kubanischen Handelsbeziehungen mit Dritten. So wurde Tochtergesellschaften US-amerikanischer Unternehmen jeglicher Handel mit Kuba untersagt. Schiffe, die in kubanischen Häfen anlegten, wurden mit einer Sperre von 180 Tagen für das Anlaufen US-amerikanischer Häfen belegt und zudem mussten Handelsschiffe mit der Beschlagnahmung ihrer Waren rechnen, sofern sie für den Handel mit Kuba bestimmt waren und sobald sie sich in US-amerikanischen Gewässern bewegten.
Das Helms-Burton-Gesetz, benannt nach dem republikanischen Senator Jesse Helms und dem noch heute für die Republikaner im Abgeordnetenhaus sitzenden Dan Burton, schreibt unter anderem die Ausweitung der USA-Sanktionen auf Drittländer und internationale Finanzorganisationen fest. Damit versuchen die USA, Investitionen aus dem Ausland auf Kuba zu be- und verhindern, was 1996 einen Handelskonflikt mit der EU verursachte. Erst nachdem USA-Präsident Bill Clinton ein Passus strich, der es vor USA-Gerichten erlaubt hätte, gegen europäische Unternehmen, die in Kuba mit enteigneten US-amerikanischen Produktionsmitteln wirtschaften, Schadenersatzklagen einzureichen, entschärfte sich die Lage.
Die Hauptlast des Embargos, das einer umfassenden Wirtschaftsblockade gleichkommt, trägt freilich Kuba selbst. So ist es dem land- und viehwirtschaftlichen Sektor nicht möglich, hochwertiges zertifiziertes Saatgut bei spezialisierten US-Unternehmen zu kaufen. Die Einfuhr von Saatgut aus Europa, Japan und aus dem Mittleren Osten kann sich bis zu zwei Monate verzögern, wodurch die vorgesehenen Anbauzyklen bei einigen Arten nicht eingehalten werden können.
Neben dem Agrarsektor leidet insbesondere das Gesundheitswesen: US-amerikanische Unternehmen verweigern unter Verweis auf die Gesetzeslage immer wieder die Lieferung von Medikamenten an kubanische Gesundheitseinrichtungen. So fehlen den kubanischen Ärzten Antibiotika und neue Krebsmedikamente aus US-amerikanischer Produktion.
Und das US-Embargo wirkt nach wie vor exterritorial: Die deutsche Firma Siemens weigerte sich vor wenigen Jahren, eine eingebaute Gamma-Kammer zu reparieren. Das Argument des Multis: Die Ersatzteile seien US-amerikanischer Herkunft und dürften in Kuba wegen des Helms-Burton-Gesetzes nicht eingesetzt werden. Die Gamma-Kammer, ein Spitzentechnologie-Gerät, ist sehr nützlich für die Krebsbehandlung und die Forschung.
2011 hat die kubanische Regierung zum 20. Mal eine Resolution bei der UNO-Vollversammlung eingereicht, in der die Aufhebung der Blockade verlangt wird. Seit 1992 stimmt innerhalb der UNO eine wachsende Mehrheit für die Aufhebung der Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade seitens der US-Regierung. 2011 waren es 186 Staaten, nur die USA und Israel stimmten dagegen und drei Inselstaaten (Mikronesien, Marshall-Inseln, Palau) enthielten sich.
Die USA-Regierung zeigt sich freilich auch unter Barack Obama von den UNO-Beschlüssen gänzlich unbeeindruckt. Mehr als sanfte Embargo-Lockerungen wie Reiseerleichterungen und großzügigere Geldüberweisungsmöglichkeiten brachte Obama in seiner Amtszeit nicht auf den Weg. Am Ziel Regimewechsel hat sich nichts geändert.
Wenn es um eigene Wirtschaftsinteressen geht, sind die USA auch in Bezug auf Kuba flexibel. So konnte die US-Agrarlobby durchsetzen, dass sie ihre Überschüsse gegen Bargeld auch an Kuba verkaufen darf. Die USA-Agrarexporte auf die Karibikinsel belaufen sich inzwischen auf über 500 Millionen US-Dollar im Jahr. Alles andere als Peanuts. Trotz der unversöhnlichen Haltung der USA zeigt sich Havanna sicher, den längeren Atem zu haben. Irgendwann werden die USA die Blockade aufheben. 50 Jahre erfolgreiches Widerstehen geben Anlass für relativen Optimismus.
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