»Musikantenstadl« in Crawinkel

Neonazis kauften Kneipe - Thüringer Behörden im Tiefschlaf

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Neonazis kauften abermals eine Immobilie, und Thüringens Verfassungsschutz hat mal wieder von nichts nichts gewusst.

Bisher hieß es: »Wer Crawinkel kennt, liebt es.« Onno Eckert, SPD-Mitglied und Bürgermeister von Crawinkel, präsentiert seinen Ort voller Stolz auf eigener Website: »Die 1650 Einwohner zählende Gemeinde Crawinkel kann nicht nur mit ihrer landschaftlich einmaligen Lage am Fuße des Thüringer Waldes und der unmittelbaren Nähe zum bedeutenden Tourismusort Oberhof punkten, sondern hat auch sonst einiges zu bieten.« Stimmt, seit jüngstem sogar einen Neonazi-Stützpunkt. Die Immobilie in der Bahnhofstraße 25 ist ein Wohnhaus, die angegliederte Gaststätte trägt den Namen »Drei Linden«.

Der Kaufvertrag trägt das Datum vom 15. Dezember 2011, als Käufer und Nutzer traten Marco Zint, Steffen Mäder und Thomas Wagner auf. Die Namen sollten dem Verfassungsschutz schon etwas sagen. Vor allem in Verbindungen mit der Neonaziband S.K.D. Oder in Bezug auf das verbotene Blood&Honour-Netzwerk sowie auf die ebenfalls verbotene »Hilfsgemeinschaft nationaler Gefangener« (HNG). Wer will, kann sich den Namen über den Neonaziverein »Toringi e.V.« nähern.

Man mag einwenden, Musiker brauchen nun einmal Möglichkeiten zur Entfaltung. Wohin sich jedoch S.K.D zu entfalten sucht, macht die Langfassung ihres Namens deutlich: Sonderkommando Dirlewanger. Das war eine berüchtigte SS-Bande, die im Zweiten Weltkrieg überwiegend aus vorbestraften Soldaten rekrutiert und gegen Partisanen eingesetzt wurde. Im August 1944 ließ man die Truppe gegen Aufständische des Warschauer Ghettos los. Massenerschießungen, Folter, Plünderungen, Vergewaltigungen waren Alltag. Beim Angriff trieb man Frauen und Kinder als »lebende Schutzschilde« vor sich her.

Auch bereits bevor S.K.D. 2005 gegründet worden ist, waren die Mitglieder - zum Teil in anderen Bands gruppiert - »behördenbekannt«. Sie halfen nach Kräften, die rechte Szene in Thüringen zu organisieren. 1997 wurde beispielsweise bei Gotha ein Wehrsportlager ausgehoben, für das besagter Thomas Wagner mitverantwortlich war. Dabei fand die Polizei Waffen, Kampfausrüstung, Hakenkreuze, SS-Runen, eine Reichskriegsflagge, Feldbetten, Spinde, vier Luftgewehre, eine Schreckschusspistole, Drosselschlingen, Gasmasken, Stahlhelme, eine Überwachungskamera sowie am Lagerfeuer ein Holzkreuz, das nach Art des Ku-Klux-Klans errichtet worden war. Die Staatsanwaltschaft ermittelte damals wegen Bildung einer bewaffneten Bande.

Dass die Neonazis ständig auf Immobiliensuche sind, sollte nicht einmal schläfrigen Verfassungsschützern entgangen sein. Thomas Wagner annoncierte bereits im Juni 2006: »Suchen auf diesem Weg noch Bands, die Material für einen Sampler zur Verfügung stellen. Der Erlös fließt komplett in ein nationales Hausprojekt.« Im November 2006 hieß es, dass das Projekt langsam Form annehme.

Nazis haben in Thüringen mehrere Immobilien erworben, ohne dass die betroffenen Gemeinden von zuständigen Behörden gewarnt worden wären. »Kirchheim, Guthmannshausen, Bad Langensalza oder das »Braune Haus« in Jena - das Netz der Neonazi-Treffpunkte wird in Thüringen immer dichter«, kritisiert Martina Renner, Innenexpertin der Thüringer Linksfraktion.

Das Nazi-Rittergut in Guthmannshausen war vom »Thüringer Liegenschaftsmanagement« (Thülima) veräußert worden und auch der Hauskauf in Crawinkel soll durch einen Kredit der landeseigenen Thüringer Aufbaubank (TAB) ermöglicht worden sein.

Und der Verfassungsschutz ist ahnungslos - gerade so, als hätte es die Mordtaten des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes und der »Zwickauer Zelle«, die aus Thüringer Nazistrukturen hervorgegangen sind, nie gegeben. Dass die Rechtsextremisten ihren neuen »Musikantenstadl« in Crawinkel zu nutzen wissen, zeigte sich am 4. Februar. An diesem Tag beendete die Polizei eine »private Geburtstagsfeier« und erteilte 81 Platzverweise. Gestern ist ein weiterer Immobilien-Deal aufgeflogen. Fabian Rimbach, Chef der rechtsextremistischen Schlesischen Jugend, kaufte eine Gaststätte in Marlieshausen (Ilmkreis).

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