Mehr Tote, mehr Verletzte
Berliner Polizei analysierte das Unfallgeschehen im Jahre 2011
Alle sieben Tage ist im vorigen Jahr ein Verkehrsteilnehmer in Berlin getötet worden - insgesamt 54 und mithin zehn mehr als im Jahr davor. Alle vier Minuten wurde ein Streifenwagen wegen eines Unfalls gerufen. Alle elf Stunden verunglückte ein Kind.
»Verkehrssicherheitslage 2011 - eine leidvolle Botschaft« nannte Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers gestern vor der Presse die jüngste Unfallanalyse. Tatsächlich sei die Zahl der Crashs mit rund 130 000 nahezu konstant geblieben, die der verletzten (17 034; +14 Prozent) und getöteten Verkehrsteilnehmer sei allerdings gegen den Trend der letzten zehn Jahre nicht weiter rückläufig.
Zu den Toten zählten 29 Fußgänger. 25 dieser Passanten trügen zumindest eine Mitschuld. »Ich appelliere an jeden Menschen in unserer Stadt, der zu Fuß unterwegs ist, rote Ampeln nicht nur als Anregung zum Anhalten zu verstehen«, sagte Koppers. Es liege ihr am Herzen, alle Beteiligten zu sensibilisieren, mehr Verantwortung für das eigene Handeln im Straßenverkehr zu übernehmen und nicht nur mit dem erhobenen Zeigefinger auf die jeweils andere Gruppe zu zeigen.
Als erfreulich erweise sich aber, dass seit 2009 erstmals kein Kind im Straßenverkehr umgekommen ist. Andererseits seien mit 775 Fällen wieder deutlich mehr Minderjährige an Unfällen beteiligt. Als entscheidende Ursache nannte Frau Koppers den nicht beachteten Autoverkehr.
Im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen komme Berlin mit seiner Bilanz einigermaßen gut weg. Pro 100 000 Einwohner gab es in der Hauptstadt 1,4, in London 1,6 und in Paris 1,9 Tote im Straßenverkehr.
Die Vizepräsidentin kündigte an, 2012 die Aktion »Dunkle Jahreszeit« fortzuführen, um Akzeptanz und gegenseitiges Vertrauen im täglichen Straßenverkehr zu fördern. Die Sichtbarkeit von Fußgängern in den Wintermonaten sei ein Schwerpunkt. Auch die Aktion »Zu Fuß zur Schule - selbst, sicher, mobil« sei eine Präventionsmöglichkeit, die die Verkehrssicherheitsberater der Polizei unterstützen oder initiieren.
Als wichtigste Unfallursachen bezeichnete Markus van Stegen, Verkehrsexperte im Stab des Polizeipräsidiums, Fehler beim Abbiegen (10 783 Fälle), nicht beachtete Vorfahrt (5732), unangepasste Geschwindigkeit (3036), Alkoholeinfluss (1543) und falsches Verhalten von Fußgängern (1530). Zu fast 70 Prozent hätten Pkw die Unfälle verursacht, zu 14 Prozent Lkw, zu drei Prozent Radfahrer, zu einem Prozent Fußgänger, zu 1,5 Prozent motorisierte Zweiräder, zu 1,65 Prozent Busse.
Zu den Örtlichkeiten, an denen es am häufigsten zu Unfällen gekommen ist, zählte van Stegen den Innsbrucker Platz, die Bornholmer Straße/Ecke Schönhauser Allee, An der Urania/Kleiststraße, Otto- Braun-Straße/Mollstraße, Hermannplatz, Müllerstraße/Seestraße, Alexanderstraße/Liebknechtstraße, die Gitschiner Straße/ Prinzenstraße und den Großen Stern.
Laut Margarete Koppers ist es weiter nötig, bei der Verkehrsüberwachung nach Schwerpunkten vorzugehen. Es komme u.a. darauf an, dass Kinder im Auto auf geeigneten Sitzen und angeschnallt mitfahren. »Mit unseren Kontrollen konzentrieren wir uns selbstverständlich auf das Einhalten der Geschwindigkeit im Umfeld von Kindertagesstätten und Schulen sowie auf die technische Sicherheit von Schulbussen bei Ausflugs- und Klassenfahrten«, sagte sie.
Jeder verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer, ob Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer, müsse dazu beitragen, Kindern korrektes Verhalten im Straßenverkehr vorzuleben, wozu auch das Anschnallen im Auto und das Halten an einer roten Fußgängerampel gehören. Besonders Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto in die Kita oder zur Schule bringen, müssten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein, so Koppers. Alkohol- und Drogendelikte im Straßenverkehr würden auch 2012 bei stadtweiten Schwerpunkteinsätzen intensiv überwacht.
Wie die Vizepräsidentin informierte, werden derzeit bei der Aufnahme von schweren Verkehrsunfällen neue Wege gegangen. Die Verkehrsunfallkommandos wurden mit modernster Aufnahme- und Messtechnik ausgerüstet, um beweissicher Unfälle aufnehmen und bearbeiten zu können. Seit reichlich drei Monaten befinde sich das Verfahren in der Pilotphase. Es gehe u.a. auch darum, schnellstmöglich Ursachen von Verkehrsunfällen mit Toten oder Schwerverletzten zu klären.
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