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Berlin: Tarifkonflikt an der Charité eskaliert
Nach dem Abbruch des Streiks wird weiter um die Notdienste gerungen
An der Charité scheint der Tarifstreit zwischen der Servicegesellschaft Charité Facility Manangement GmbH (CFM) und der Gewerkschaft Verdi zu eskalieren. Während Verdi weitere Streiks in Aussicht stellt, hat die CFM beim Arbeitsgericht beantragt, der Gewerkschaft ein Ordnungsgeld zu verhängen – ersatzweise Ordnungshaft gegen die verhandlungsführende Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöffer. Kern der aktuellen Auseinandersetzung ist, inwieweit die Notdienstbesetzung während eines Streiks von der Normalbesetzung abweichen kann.
Im Tarifstreit um die Eingliederung der Beschäftigten des Charité-Tochterunternehmens CFM in den an der Charité gültigen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) hatten die Verdi-Mitglieder im Zuge einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik gestimmt. Die CFM hatte versucht, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen. Das Gericht erlaubte den Streik zwar, aber nur unter Auflagen für ein umfangreiches Angebot an Notdiensten. Daraufhin hatte Verdi den eigentlich unbefristeten Streik am 4. April nach zwei Tagen abgebrochen.
Verdi zufolge hat das Gericht einen mehr als 700 personenstarken Notdienstplan festgelegt und sei damit »nahezu komplett« den Anträgen der CFM gefolgt. Die CFM gehe teils von Besetzungen aus, die im Alltag nicht stattfänden. So sei der Betrieb einer Mensa nicht notdienstrelevant, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Neunhöffer. Wenn es um die Einschränkung des Grundrechts auf Streik gehe, werde die Bedeutung der Arbeit in der CFM betont, so Verdi. Bei der Bezahlung hingegen reiche es teils nur für den Landesmindestlohn. Verdi hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt und will selbst eine angepasste Notdienstverordnung erarbeiten.
Man müsse die Grundrechte gegeneinander abwägen, so Neunhöffer von Verdi: Sowohl das Patientenwohl als auch das Streikrecht sollten im Fokus stehen – nicht die normale Patientenversorgung. »Die CFM-Geschäftsführung schafft es nicht, in Verhandlungen ein Angebot vorzulegen und steckt die Energie lieber in Hunderte Seiten Antragsschrift an das Gericht«, sagte die Gewerkschafterin. Es sei ein Skandal, wie ein landeseigenes Unternehmen gegen das Streikrecht seiner Beschäftigten vorgehe, die nur einfordern würden, was der Berliner Senat eigentlich schon längst versprochen hat. Die Wiedereingliederung der CFM in die Charité ist auch ein erklärtes Vorhaben der schwarz-roten Koalition.
Die CFM teilte mit, die Notdienstbesetzung weiche in fast allen Bereichen signifikant von der Normalbesetzung ab. Nur in sehr wenigen Einzelfällen, etwa wenn ein Dienst im Normalbetrieb von nur einer Person abgedeckt wird, seien Normalbesetzung und Notdienst deckungsgleich. Da Verdi sich nicht an die gerichtlich verfügte Einhaltung der Notdienste gehalten habe, beantragte die CFM ein Ordnungsgeld oder ersatzweise Ordnungshaft für die Verdi-Verhandlungsführerin. Das Arbeitsgericht hat darüber noch nicht entschieden.
Bei der CFM arbeiten rund 3500 Menschen. Für 3200 von ihnen fordert Verdi eine Bezahlung nach dem an der Charité gültigen TVöD. Für 300 Beschäftigte der CFM gilt der TVöD bereits. Sie sind Angestellte der Charité und für Tätigkeiten der CFM entsandt. 99,3 Prozent der Verdi-Mitglieder bei der CFM hatten in der Urabstimmung für einen unbefristeten Streik gestimmt. Mit dpa
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