Gute Aussichten für den Karneval in Rio
Die Protestbewegung der brasilianischen Polizisten wird schwächer
Karnevalisten und Touristen dürfen aufatmen: Die Umzüge in einer Woche, zu deren Schutz bereits Tausende Soldaten mobilisiert worden waren, dürften wie geplant über die Bühne gehen. »Als Zeichen des Respekts für die Bevölkerung, die uns unterstützt hat, nehmen wir die Arbeit wieder auf«, sagte Ivan Leite, einer der Sprecher der Protestierenden in Salvador. Die Verhandlungen mit der Regierung des Bundesstaats Bahia gingen jedoch weiter, da die Polizisten ihre Ziele noch nicht erreicht hätten. Bislang wurde ihnen nur eine rückwirkende Lohnerhöhung von 6,5 Prozent gewährt.
In Rio de Janeiro scherte die Zivilpolizei aus der Streikfront aus. »Es ist schwer, an den Erfolg zu glauben, wenn die Leute nicht mitmachen«, erklärte ihr Sprecher Francisco Chao. Offiziell befinden sich Polizisten und Feuerwehrleute aber noch im Ausstand.
Sie fordern eine Verdreifachung ihres monatlichen Mindestlohns auf umgerechnet 1540 Euro. Ihre Löhne gehören zu den niedrigsten in ganz Brasilien. Nach der Streikerklärung am Donnerstagabend hatten die Behörden den Druck erhöht: 17 Polizisten wurden festgenommen, Dutzende angezeigt. Bekannte Sprecher waren schon zuvor verhaftet worden.
In Salvador hatten Hunderte Militärpolizisten zehn Tage lang das Abgeordnetenhaus besetzt. Busse wurden in Brand gesteckt, die Mordrate verdoppelte sich.
Präsidentin Dilma Rousseff kritisierte die Auswüchse der Proteste in Bahia und lehnte eine Begnadigung von Streikführern ab. »Für Straftaten darf es keine Amnestie geben«, sagte die Staatschefin. »Sonst werden wir ein Land ohne Spielregeln«.
Polizisten dürfen sich in Brasilien nicht gewerkschaftlich organisieren, geschweige denn streiken. Deshalb haben sie sich in oftmals konkurrierende »Vereinigungen« zusammengeschlossen, über die die Proteste koordiniert werden.
Unterbezahlte und korrupte Polizisten tragen zur wuchernden Gewaltkriminalität in Brasilien ebenso bei wie ein träges, ineffizientes Justizsystem. Jedes Jahr werden rund 50 000 Menschen ermordet. Die Gewalt trifft vor allem die Armen: Drei von vier Todesopfern sind Afrobrasilianer.
Die innere Sicherheit ist vor allem Sache der Bundesstaaten. Dabei sind die regionalen Unterschiede enorm: Während die Mordrate in Rio im vergangenen Jahrzehnt um 43 und in São Paulo sogar um 63 Prozent zurückging, verdreifachte sie sich in Bahia und anderen Staaten des Nordostens. Dabei haben gerade dort Wirtschaftswachstum und Sozialprogramme zu einem deutlichen Rückgang der Armut geführt.
Die Krise zeige strukturelle Mängel des brasilianischen Rechtsstaats und der Sicherheitspolitik, urteilen Experten. Die Soziologin Ivone Freire Costa wünscht sich mehr Engagement aus Brasília, etwa bei der Ausbildung der Polizisten. Sonst könne sich bei der Fußball-WM 2014 das jetzige Szenario wiederholen.
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