Opel-Altwerk droht Teilabriss
Rüsselsheimer Initiative gegen Einkaufspalast
Besuchern der Opelstadt Rüsselsheim springen bereits am Bahnhof die gut ein Jahrhundert alten Fassaden des Opel-Werkes ins Auge. Nun will eine breite Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung mit dem Abriss eines Großteils der historischen Gebäude, die für die Autoproduktion längst ausgedient haben, Platz für ein Einkaufszentrum schaffen. Mehr 100 Läden und 14 Restaurants sollen auf rund 20 000 Quadratmetern entstehen. Damit soll neue Kaufkraft aus Stadt und Umland angelockt werden. Eine Immobiliengesellschaft drängt nun auf eine rasche Umsetzung.
220 000 Kunden?
Solche Aussichten stören Dr. Peter Schirmbeck, der als ehemaliger Leiter des Rüsselsheimer Stadtmuseums auf die architektonische Einmaligkeit des Opel-Altwerks verweist. Schirmbeck ist im Rhein-Main-Gebiet als Mitinitiator eines Projekts bekannt, das unter der Bezeichnung »Route der Industriekultur« Denkmäler der Industriegeschichte von Aschaffenburg bis Bingen erschließt. Nach seiner Auffassung könnten die eigentlich für den Denkmalschutz vorgesehenen Gebäude durchaus zum Weltkulturerbe werden.
Wer von der Stadtmitte aus am Opelgelände in westlicher Richtung entlang fährt, »kommt von einer Architekturphase in die andere«, beschreibt Michael Flörsheimer die architektonische Besonderheit und Einmaligkeit der bedrohten Gebäude. Flörsheimer gehört zur Rüsselsheimer Bürgerinitiative gegen den Abriss, er hat auch ökonomische Argumente gegen das geplante Einkaufszentrum. Die von den Projektbefürwortern prognostizierten 220 000 potenziellen Kunden im Einzugsbereich werde es nie geben, sagt er und warnt vor Illusionen, mit dem neuen Zentrum die Kaufkraft der Region nach Rüsselsheim lenken zu können. Schließlich bestünden in einem Radius von unter 20 Kilometern schon etliche Einkaufszentren, argumentiert er. Für Menschen mit höherer Kaufkraft und Mobilität seien schon immer Großstädte wie Mainz, Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt die attraktiveren Einkaufsorte im Ballungsgebiet gewesen. »Wir müssen uns damit abfinden, dass die ehemals reiche Musterstadt Rüsselsheim faktisch nur noch ein Stadtteil der Rhein-Main-Metropole ist«, so Flörsheimer.
Zunächst hatte Firmengründer Adam Opel ab 1862 in Rüsselsheim Nähmaschinen und Fahrräder hergestellt. Mit der Pkw-Produktion wurde der Ort dann zur blühenden Autostadt und galt in den 1970ern neben Wolfsburg und Sindelfingen als eine der finanzstärksten Kommunen der Republik.
Nun leidet die Rüsselsheimer Innenstadt nicht nur wegen des starken Arbeitsplatzrückgangs bei Opel seit Jahren unter Kaufkraftschwund. Leer stehende Gewerbeimmobilien wie das im Jahr 2000 geschlossene Karstadtgebäude in der Innenstadt sprechen eine klare Sprache. Größter Arbeitgeber der Rüsselsheimer ist nicht mehr Opel, sondern der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport mit seinen ausgegliederten Niedriglohnfirmen.
Vernetzter Widerstand
Rüsselsheim wird seit Jahren von einer Mehrheit aus SPD und Grünen regiert und hat seit wenigen Wochen einen direkt gewählten CDU-Oberbürgermeister. Derzeit lehnen nur vier von 45 Stadtverordneten, darunter die dreiköpfige Fraktion DIE LINKE/Liste Solidarität, den geplanten Abriss ab. Die Projektgegner setzen auf die Kraft ihrer Argumente und Zuspruch aus der Bevölkerung sowie eine Vernetzung mit Initiativen gegen ähnliche Projekte, die derzeit bundesweit gebaut oder geplant werden. Dazu dient auch eine für den 2. März geplante Veranstaltung mit Initiativenvertretern aus Kaiserslautern, Mainz und Siegburg. »Falls die Stadtverordnetenversammlung den Abriss beschließen sollte, leiten wir ein Bürgerbegehren ein«, kündigt Michael Flörsheimer an.
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