Bauruinen und ruinierte Bauherren
Hunderttausende Wohnungen und Häuser an Spaniens Küsten stehen leer
Verödete Bauruinen landauf, landab. Vor allem auch in den südlichen Küstenregionen Spaniens. Wo dennoch ein Gebäude wächst, rücken die Bauleute morgens in kleinen Bussen an. Früher kam jeder einzeln im privaten Pkw. Die Gastarbeiter aus Marokko und Portugal sind längst via Heimat verschwunden oder leben von Arbeitslosengeld, sofern sie irgendwann integriert wurden. Viele Leute schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durch, oftmals im schwarzen und deshalb steuervermeidenden Bereich.
Die allgemeine Flaute des Gewerbes hält nun schon seit drei oder vier Jahren an. Daran dürfte sich auch heuer nichts ändern. Keiner wagt eine längerfristige günstige Prognose. Für anno 2011 wurde ein Anstieg der Firmenkonkurse um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr registriert. Die meisten Branchen hängen in irgendeiner Weise von einer gesunden Bauwirtschaft ab.
Häuser und Wohnungen lassen sich kaum noch verkaufen. Nicht nur die ganz neuen, sondern auch die etwas älteren. Und wenn doch, dann nur weit unter Wert. Ex-Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero soll nach Presseberichten seinen Landsitz an der Levante-Küste von Almaria nach vielmonatigem vergeblichem Angebot erst mit einem Preisnachlass von 160 000 Euro losgeworden sein. In dem Anwesen haben dem Vernehmen nach einige Spitzenpolitiker von EU und NATO gern ihren Urlaub verbracht.
Wenn doch jemand eine derartige Immobilie erwerben möchte, entstammt er beinahe sicher einer neureichen Familie aus dem fernen Russland, neben der Sprache typischerweise auch daran zu erkennen, dass er zum Bezahlen eines simplen Kaffees oder einer Portion Eis ein sattes Geldbündel aus der Tasche zieht. Doch scheint der Markt völlig erstarrt. Eine drei Jahre alte reichlich 100 Quadratmeter große Wohnung in Calpe/ Alicante beispielsweise, nur wenige Schritte vom Strand und mit freiem Blick auf den berühmten Riesenfelsen im Meer, dem Penòn de Ifach, findet seit anderthalb Jahren keinen Interessenten. Dabei sei er bereits um 120 000 Euro gegenüber dem ursprünglichen Kaufpreis heruntergegangen, sagt der in deutschen Landen beheimatete Besitzer dem Reporter. Derartige Beispiele gibt es in Hülle und Fülle.
Laut Analysen, die sich auf Daten der spanischen Regierung beziehen, wurden vor allem an den Küsten und auf den Inseln jedes Jahr etwa 700 000 Wohnungen und Häuser fertiggestellt, so viele wie in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Ohne Eigenkapital bei den Käufern, bar jedweder Sicherheiten und bei niedrigen Zinsen finanzierten die Banken den Bauboom und damit lediglich scheinbares Eigentum. Die Touristen-Siedlungen stehen ohnehin die meiste Zeit des Jahres leer und sind nur die engere Saison über besetzt - also von Juli bis September. Vor diesem Hintergrund führte die Finanzkrise zu dem bekannten Absturz in der Bau- und Immobilienbranche.
Mit dem Crash wuchs die Arbeitslosigkeit stark an. Kredite konnten nicht mehr abgezahlt werden - in Spanien lebt man zu gut 80 Prozent in Eigenheimen oder in Eigentumswohnungen. Den Firmenpleiten folgten massenweise private Pleiten. Abseits von bislang Gewohntem bietet man laut einschlägigen Medienberichten unterdessen Immobilien zur günstigen Dauermiete oder zur Miete mit späterer Kaufoption an. Was den Markt aber bisher kaum entlasten konnte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.