Bremen triumphiert im Nordderby
3:1 gewinnt die Werder-Mannschaft bei den neu erstarkten Hamburgern, die vorerst nicht mehr von Europa träumen
Heiko Westermann, das war zu erkennen, war wichtiger Teil des Derby-Schlachtengemäldes gewesen. Das Trikot nassgeschwitzt, Stutzen und Hose von schmutzigen Streifen durchzogen, das waren die Motive der Leidenschaft, die der Kapitän des Hamburger SV in der 84. Minute vielleicht am Bildhaftesten verkörpert hatte. Da hatte sich Westermann selbst durch ein Foul des Bremer Mittelfeldmanns Tom Trybull nicht stoppen lassen wollen auf dem Weg nach vorn, rappelte sich auf, angefeuert durch das tobende Publikum. Aber da er den Ball nicht mehr erreichte, stand diese Szene auch als Beispiel für die Niederlage. »Es war einfach nicht unser Tag«, so fasste Westermann die 96. Auflage des Nordderbys in der Bundesliga zusammen.
Trotz der 1:3 (0:2)-Heimpleite gegen Werder Bremen hingen die Fahnen des HSV keineswegs auf halbmast. »Natürlich bin ich nach einem verlorenen Derby nicht glücklich, aber mit der Gesamtleistung bin ich trotzdem zufrieden«, sagte HSV-Trainer Thorsten Fink nach der zweiten Niederlage in seiner Amtszeit. Sein Team habe gut gespielt, aber die wenigen Fehler seien durch Bremen schlicht brutal bestraft worden. Die Fehler seien normal. »Wenn wir keine Fehler machen, dann würden wir ja in der Champions League spielen«, sagte Fink. »Wir haben keine Roboter. Meine Spieler sind keine Maschinen.«
Die vielen Fehlpässe in der Hintermannschaft waren in der Tat allzu menschlich. Speziell jene Szene, in der Tomas Rincon den Ball gegen Markus Rosenberg verlor, und Bremen einen sehr präzisen Konter zu Marko Marin brachte, der den Ball aus spitzem Winkel zum 0:1 (neunte Minute) in die kurze Ecke einnetzte. »Das hat unseren ganzen Plan zerstört«, jammerte HSV-Stürmer Paolo Guerrero später.
Dieser geänderte Plan allerdings war herausragend provoziert worden durch ein hervorragendes Pressing, das die Gäste vor allem auf die beiden Innenverteidiger und auf Rincon ausübten. »Wir wussten genau, wann wir dieses Pressing ausführen mussten«, sagte Spielmacher Marin, der nach seiner Verletzung immer besser in Schwung kommt. »Wir haben völlig unnötig die Bälle verloren und dann ging die Post ab. Die Bremer haben dann schnell umgeschaltet, das haben sie gut gemacht«, anerkannte Westermann die Bremer Qualitäten in der Offensive.
Zur Qualität des neuen HSV indes gehört, dass er zwar große Probleme mit der Bremer Defensive hatte, dass er dennoch taktisch nicht kollabierte. Auch nach dem Nackenschlag kurz vor der Pause, als der starke Nachwuchsmann Trybull einen Eckball per Kopf zum 0:2 verwertete, hielt der HSV an seinem neuen Markenzeichen fest, über die aufgerückten Außenverteidiger Dennis Diekmeier und Dennis Aogo viel Druck auszuüben. Und als Mladen Petric, etwas glücklich zwar, per Freistoß zum 1:2 (76.) verkürzte und der Druck zunahm, schien gar der Ausgleich möglich. Erst das Missverständnis zwischen Westermann und Slobodan Rajkovic, das Marko Arnautovic zum 1:3 (86.) nutzte, zerstörte die Hoffnungen auf die Wende.
Damit zerplatzten wohl auch die zarten Hoffnungen auf ein Erreichen eines Platzes in der Europa League, die vor dem Derby formuliert worden waren. Schließlich hätte der HSV bei einem Sieg den Rückstand auf die Fünftplatzierten Bremer auf vier Punkte aufgeschlossen. »Unser Anspruch ist nicht der UEFA-Cup, sondern das gesicherte Mittelfeld, das hat man heute gesehen«, resümierte Fink die 90 Minuten vor fast 56000 Fans im Hamburger Volkspark. Die Bemerkung, der HSV bewege sich nun im grauen Niemandsland der Tabelle, gefiel dem Coach überhaupt nicht. »Es geht immer noch um viel«, konterte Fink. »26 Punkte reichen nicht, um die Klasse zu halten.« Der Mann ist Realist.
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