König ohne Volksnähe
Otto Rehhagel gibt sich bei erstem Training von Hertha BSC verschlossen
Viel gesehen hat Otto Rehhagel am ersten Arbeitstag bei Hertha BSC nicht von seinen Spielern. Im dichten Schneetreiben hielt er seine Debüteinheit beim abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten. Die Rasenheizung auf dem Schenckendorffplatz versagte angesichts der weißen Massen. Mit der kalten Nässe hatten auch rund 300 Zuschauer inklusive etwa 50 Medienvertreter zu kämpfen. Otto Rehhagel schien dem Wettergott trotzen zu wollen. Der 73-Jährige verzichtete als Einziger auf eine Kopfbedeckung.
Meist stand der Trainerguru wie angekündigt abseits des Geschehens. Er führte kurze Einzelgespräche mit Kapitän André Mijatovic und Angreifer Pierre-Michel Lasogga. Kurzzeitig unterhielt er sich auch mit Manager Michael Preetz und Herthas ehemaligem Torwarttrainer Enver Maric. In der Regel stand er aber zusammen mit Co-Trainer René Tretschok an der Seitenlinie und beobachtete das Geschehen. Dreimal unterbrach Rehhagel die Übungen, um seine Anmerkungen zu machen. Das war's.
Wie Otto Rehhagel das Training selbst empfunden hat, weiß wohl nur er. Hertha BSC hat verfügt, dass Rehhagel nur noch zwei Tage vor einem Spiel sowie direkt nach Bundesligapartien Medienvertretern zur Verfügung stehen soll. Immerhin durften sich zwei Spieler äußern. »Rehhagel hat uns auf dem Platz gesagt, dass wir sehr gut kombiniert haben, auch auf dem schwierigen Boden«, meinte Mittelfeldspieler Peter Niemeyer. »Wir kennen ihn jetzt erst wenige Stunden. Er spricht genau wie alle anderen. Ich sehe keine Schwierigkeiten.«
Angetan war auch Thomas Kraft. »Mein erster Eindruck ist gut. Ich habe mich sehr auf ihn gefreut. Er ist eine Persönlichkeit und ein sehr großer Trainer. Es ist schön, dass ich ihn kennenlernen darf«, sagte der frühere Schlussmann von Bayern München, der dort ähnliche Durchsetzungsprobleme hatte wie sein heutiger Trainer ein Jahrzehnt zuvor.
Die Fans durften Rehhagel noch nicht kennenlernen. Wie ein König wurde er vom Platz geführt. Mehrere Ordner gaben ihm Geleitschutz, damit der neue Trainer unversehrt von den Medien in Richtung Kabine laufen konnte. Sogar Autogrammwünschen der Fans wurde nicht wie üblich entsprochen. »Es ist das Schöne, dass nicht mehr auf uns geschaut wird, sondern auf den Otto Rehhagel. Der Trainer ist eher im Fokus und nicht die Mannschaft. Das ist ganz gut so«, sagte Peter Niemeyer.
Ein bisschen volksnäher könnte sich Rehhagel trotz aller Konzentration auf das wichtige Spiel am Sonnabend beim FC Augsburg aber schon geben. Schließlich hat ihn das neben seinen Erfolgen so populär gemacht.
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