»Gnadenschuss« für Athen
Kredite und Schuldenschnitt gegen harte Auflagen
In einem nächtlichen Verhandlungsmarathon beschlossen die Euro-Finanzminister neue Finanzhilfen für Griechenland in Höhe von 130 Milliarden Euro. Zu dem Maßnahmebündel gehört auch der bereits in Grundzügen vereinbarte Schuldenschnitt. Die privaten Gläubiger, hauptsächlich Banken und Hedgefonds, sollen auf 107 Milliarden Euro verzichten.
Im Gegenzug musste sich die griechische Regierung zur strikten Einhaltung aller alten und neuen Kürzungsmaßnahmen verpflichten. Darunter fallen die erst am 12. Februar gegen Massenproteste der Bevölkerung von den Regierungsparteien PASOK und Nea Dimokratia verabschiedeten Vorgaben für die Entlassung von insgesamt 150 000 Staatsbediensteten, neue Einschnitte bei den Renten sowie die Senkung des Mindestlohns und aller an ihn gekoppelten Löhne und Leistungen. Die einzelnen Gesetze soll das Parlament noch diese Woche verabschieden.
Zudem wird die nationale Souveränität des angeschlagenen Mittelmeerstaates weiter beschnitten. Eine Expertengruppe der Gläubigertroika aus EU, IWF und EZB soll dauerhaft den Schuldenabbau überwachen. Außerdem wird ein Sperrkonto eingerichtet, auf das die griechische Regierung fällig werdende Schulden einzuzahlen hat.
Von der linken Opposition in Griechenland wurde die neue Vereinbarung scharf kritisiert. Ministerpräsident Lucas Papademos habe Recht, wenn er von einem historischen Tag spreche, erklärte die Europaverantwortliche der Linkspartei Synaspismos, Rena Dourou. »Es handelt sich um den Tag, an dem Griechenland seine nationale Souveränität aufgab, um die Interessen seiner Gläubiger zu sichern.« Die beiden griechischen Gewerkschaftsdachverbände haben schon für heute zu neuen Protesten vor dem Parlament in Athen aufgerufen. Die neuen Einschnitte versetzten den Arbeiterrechten und dem Sozialstaat endgültig den »Gnadenschuss«, heißt es.
»Das Paket wird Griechenland die benötigte Zeit geben, um Strukturreformen vorzunehmen«, sagte Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker gestern. Seiner optimistischen Prognose schlossen sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, an. Skeptisch äußerten sich dagegen Bankenvertreter. Auch in einem noch während der nächtlichen Tagung bekannt gewordenen vertraulichen Bericht der Gläubigertroika hieß es, Griechenland sei kaum in der Lage, die Vorgaben zu erfüllen. »Es besteht eine grundlegende Spannung zwischen den Programmzielen des Schuldenabbaus und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.