Ein Stück vom Kuchen
Metaller wollen in den anstehenden Tarifverhandlungen spürbare Lohnerhöhungen durchsetzen
Traditionell verhandeln die Metaller regional. Dabei war es in der Vergangenheit üblich, dass die im »Pilotbezirk« erzielten Ergebnisse im Rest der Republik übernommen wurden. Als »Pilot« wirkte oft Baden-Württemberg, wo vor allem in den Industriezentren um Stuttgart und Mannheim Großbetriebe der Autoindustrie und ihrer Zulieferer mit gut organisierten Belegschaften angesiedelt sind. Hier wurden in den Nachkriegsjahrzehnten in teilweise harten Streiks tarifliche Fortschritte erkämpft - spürbare Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und der Einstieg in die 35-Stunden-Woche.
Zu diesem Bezirk gehört auch Alstom Power in Mannheim. Der dortige IG-Metall-Vertrauenskörper stellte Anfang des Jahres unter Berücksichtigung von Produktivitätssteigerungen und Teuerungsrate sowie zurückliegenden Reallohnverlusten und gestiegenen Unternehmensgewinnen eine Lohnforderung von acht Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten auf. Aus Solidarität mit unteren Lohngruppen und Leiharbeitern solle die Steigerung bei mindestens 250 Euro monatlich liegen. Eine Kompensation für die unbefristete Übernahme der Auszubildenden nach ihrer Lehrzeit dürfe es nicht geben, so der Vertrauenskörper.
Während manche Aktivisten also vorab mehr verlangten als die von der IG Metall als Forderung beschlossenen 6,5 Prozent, wirbt laut Insiderangaben Gewerkschaftsvize Detlef Wetzel für eine Mäßigung. Man dürfe die schwierige wirtschaftliche Lage nach dem Ende der Hochkonjunktur nicht aus dem Auge verlieren, wird er zitiert. Viele IG-Metall-Mitglieder jedoch haben in ihren Betrieben seit 2010 Umsatzsteigerungen von 20 bis 30 Prozent erlebt und wollen endlich eine spürbare Lohnerhöhung, wendet ein hessischer Metaller auf nd-Anfrage ein: »Banken und Versicherungen bekommen Milliarden in den Hals gesteckt, jetzt sind wir dran.«
Auch für den Stuttgarter IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hoffmann geht es darum, dass »die Beschäftigten ihr Stück vom Kuchen bekommen, der ohne sie hätte gar nicht gebacken werden können«. Schließlich sei der zurückliegende steile Aufschwung »an den Beschäftigten vorbeigegangen«. Aber ist die IG-Metall-Spitze bereit, genügend Druck aufzubauen und zu Streiks aufzurufen? Dies fragen sich etliche Mitglieder. »Wenn keine spürbare Lohnerhöhung rauskommt, fliegen die Mitgliedsbücher in die Tonnen«, heißt es aus einem hessischen Betrieb.
Könnte der einsetzende Konjunkturabschwung die Kampfkraft dämpfen? Dies ist selbst in Firmen, die bereits Auftragsrückgänge spüren, nicht zwangsläufig der Fall. »Selbst wenn ich meinen Job verliere, hole ich mir vorher noch eine Lohnerhöhung«, gibt eine Betriebsrätin in einem großen hessischen Metallbetrieb Stimmen aus der Belegschaft wieder. Die Beschäftigten hätten erlebt, wie viele hoch dotierte Manager im letzten Jahr eingestellt worden seien, und wüssten: »Geld ist genug da.«
Die Kampfkraft dämpfen könnte allerdings der Einsatz von Leiharbeitern in der Branche. Dieser hat nach der Überwindung der Krise von 2009 wieder stark zugenommen. In einzelnen Betrieben machen sie gar die Mehrheit der Belegschaft aus. Zwar vermeldet die IG Metall aus 1200 Betrieben »Besservereinbarungen«, die etwa gleiche Stundenlöhne wie in der Kernbelegschaft bringen. Dies in einen Flächentarifvertrag zu gießen, ist jedoch schwieriger. Dies zeigen die bisher ergebnislosen Verhandlungen zwischen der IG Metall und den Zeitarbeitsverbänden IGZ und BAP über einen Branchenzuschlag, die der Metall-Tarifrunde vorgeschaltet wurden.
Selbst bei nominell gleich hohen Stundenlöhnen blieben Leiharbeiter aufgrund ihrer Stellung und schlechterer tariflicher Rahmenbedingungen Mitarbeiter zweiter Klasse. Wohl auch aus solchen Überlegungen heraus sind die Mannheimer Alstom-Vertrauensleute überzeugt, dass Leiharbeit gesetzlich verboten werden sollte, weil sie nur zur Spaltung der Belegschaften diene.
Forderungen
In der Tarifrunde für rund 3,6 Millionen Beschäftigte der bundesdeutschen Metall- und Elek-troindustrie hat sich die IG Metall drei Schwerpunkt gesetzt: Einkommenserhöhung von 6,5 Prozent, unbefristete Übernahme der Auszubildenden nach der Lehre sowie Begrenzung der Leiharbeit, bessere Bezahlung für Leiharbeiter und mehr Mitbestimmung von Betriebsräten beim Einsatz von Leiharbeitern.
Die Arbeitgeber lehnen die Entgeltforderung als »wirtschaftlich nicht begründbar« ab. Auch die anderen Punkte weisen sie zurück.
Die Friedenspflicht läuft Ende April aus. Somit sind ab Anfang Mai Streiks als Druckmittel zur Durchsetzung der Tarifforderungen möglich. nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.