Des Schweins Albtraum: Dosen-Ravioli

Der Film »Canned Dreams« beleuchtet Hintergründe industrieller Nahrungsmittelproduktion

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.
Kann man anhand einer Dose Ravioli erzählen, wie sich Massentierhaltung, Fabrikarbeit und Knochenarbeit auf dem Feld anfühlen? Wie lang die Wege mancher Zutaten auf einem globalen Markt sind, bevor sie als Dose mit Teigtaschen in Tomatensauce im Supermarktregal zusammenfinden? Man kann.

35 000 Kilometer Reisen kommen bei der Produktion der Dose Ravioli zusammen, die die finnische Regisseurin Katja Gauriloff für den Film »Canned Dreams« auf dem Weg von der Metallgewinnung für die Dose über die Produktions-, Schlacht- und Verarbeitungsorte ihres organischen Inhalts zurückverfolgt.

Es sind schöne Bilder, die Gauriloff von ihrer epischen Reise mitbringt, auch wenn das, was sie zeigen, oft weniger schön ist. Unkommentiert kommen ihre Bilder daher, untermalt nur von der Musik des Dänen Karsten Fundal. Unkommentiert, aber nicht ohne Worte. In Brasilien lässt Gauriloff sich von einer namenlosen Handarbeiterin im Erztagebau von den zwölf Kindern erzählen, die sie geboren habe, von denen sie aber nur drei behalten konnte, und von der Schwere der Arbeit, wenn der Bauch in den späten Schwangerschaftsmonaten sie bei jeder Bückbewegung nach unten zog. Die Schmelzöfen sind vorindustriell in Größe und Anlage. Die fußballfeldlangen Laster, die am Ende das Metall abfahren, das Brasilien zu Gauriloffs finnischer Ravioli-Dose beiträgt, sind es nicht.

Der nächste vor dem Mikrofon ist ein Schweinemäster im verschneiten Dänemark, der von seiner Liebe zu den treuen Tieren erzählt, die ihm so viel angenehmer gegenübertraten als seine Mitmenschen. Während er spricht, geht er routiniert der künstlichen Besamung nach - diese Schweine mögen gut für ihn sein, gut für sie ist er nicht. Am Ende werden sie Teil des Fleischmixes, der in den Teigtaschen landet.

Robuste portugiesische Tomatenpflückerinnen mit Kittelschürzen und Strohhüten, die während der Mittagspause im Schatten am Feldrand Sardinenbrote aus Flechtkörben essen und ihren Vorarbeiter necken, während im Hintergrund Enten quaken und ein Trecker schwarze Abgase in die Gegend spuckt, geben das seltene ländliche Bild ab in diesem Film. Aber der Eindruck täuscht: Das ist kein familiärer Agrarbetrieb.

Französische Eier kommen zum Ravioli-Rezept dazu und ukrainischer Weizen - die Erntefahrer schwärmen von den alten Zeiten, als es schon am Vormittag auf dem Feld die erste Flasche Bier gab, und nicht wie heute ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz! Dazu italienische Oliven, maschinell vom Baum geschüttelt, und noch mehr Schweine, diesmal aus Rumänien.

Der Rinderschlachter in Polen kommt ohne frisch gewaschene Arbeitshose und beginnt das Blutbad schon in einer dreckigen Kluft. Gauriloff wendet auch hier den Blick ihrer Kamera nicht gnädig ab, sondern lässt ihre Zuschauer teilhaben am Elend der Tiere, die hier auf Ravioli-Maß geschnitten werden. In seiner Erzählung fantasiert der Mann von dem, was er seiner Frau einst antun wolle, die ihn betrog, während er in Irland arbeitete. Das ist die einzige Stelle des Films, die klingt wie aus einem Drehbuch, einem schlechten noch dazu. Aber was, wenn es Wort für Wort aus dem wirklichen Leben stammte? Offenbar ist der Mensch tatsächlich auch dem Menschen ein Wolf.

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