Ungarn weiter am EU-Pranger

Gesetze im Bereich Datenschutz und zum Justizwesen stehen in der Kritik

  • Zsuzsanna Horváth, Budapest
  • Lesedauer: 2 Min.
Die EU-Kommission hat am Mittwoch in den gegen Budapest eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren zwar die Korrekturen und Darlegungen der ungarischen Seite gewürdigt, strebt wegen der fehlenden Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde und der Absenkung des Rentenalters der Richter aber weitere rechtliche Schritte an.

Brüssel stört sich insbesondere an den weitreichenden Kompetenzen, die dem ungarischen Staatsoberhaupt, derzeit der von Gnaden der Regierungskoalition eingesetzte ehemalige Sportfunktionär Pál Schmitt, per Gesetz zukommen bzw. zukommen sollen. Die von Budapest geplante Abänderung der Bestimmungen zur Notenbank, die deren Unabhängigkeit wiederherstellten sollen, möchte sich die EU-Kommission in Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank erst einmal ganz genau anschauen, bevor weitere Beschlüsse gefasst werden. Auch beim Justizwesen erwartet man sich weitere Auskünfte und Argumente vor allem zur überbordenden Macht des Leiters des neu geschaffenen Landesjustizamtes.

Dass die für die unmittelbare wirtschaftliche Zukunft Ungarns entscheidenden Verhandlungen über einen weiteren Kredit von EU und Internationalem Währungsfonds nach den EU-Entscheidungen noch immer nicht beginnen können, versteht sich von selbst. Nach Informationen der ungarischen Tageszeitung »Népszabadság« teilte ein Sprecher in Brüssel zudem mit, dass hinsichtlich eines weiteren, erst vor Kurzem angedrohten Vertragsverletzungsverfahrens wegen ständiger Überschreitung der EU-konformen Schuldengrenze nun erst einmal Ungarn am Zug sei.

In den Auseinandersetzungen der ungarischen Regierung mit der EU ist also kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht, es wird in den nächsten Monaten wirtschaftspolitisch ans Eingemachte gehen. Nicht zufällig war es daher schon zu Wochenbeginn im ungarischen Parlament zu einem bezeichnenden Schlagabtausch zwischen der ultrarechten Partei Jobbik und der Regierung gekommen. Unter Berufung auf den Slogan einer konservativen Großdemonstration im Januar diesen Jahres (»Wir werden keine Kolonie sein«) hielt Jobbik-Chef Gábor Vona eine flammende Rede. Er geißelte die Regierung dafür, dass sie in der Auseinandersetzung mit der EU nur auf Nebenschauplätzen Flagge zeige, während sie an der wichtigsten Front der Kolonialisierung die Waffen niederlege, indem sie am Fiskalpakt teilnehme und sich der Politik der drastischen Einsparungen unterwerfe.

In seiner Antwort machte Ministerpräsident Orbán ungewöhnlich klar, wie er zur ökonomischen Arbeitsteilung innerhalb der Union steht. Es sei ein klarer Unterschied zu machen zwischen, so wörtlich, »Kolonisatoren und Verbündeten«. Erstere betrachteten Ungarn nur als Markt, den sie mit ihren eigenen Produkten überschwemmen, die Anderen dagegen kämen nach Ungarn um »unsere Arbeit und unser Fachwissen« in ihren Produktionsstätten zu nutzen. Ungarn sei angewiesen auf Auslandsinvestitionen.

Auf die eigentlichen Vorwürfe von Seiten der Ultrarechten ging Orbán nicht ein. Was die nunmehrigen Beschlüsse der EU-Kommission in Sachen Vertragsverletzungsverfahren betrifft befleißigt sich die Regierung dagegen wie immer einer Propaganda, die mit der Wahrheit rein gar nichts mehr zu tun hat. Man freue sich, so ein Regierungssprecher, dass Brüssel »90 Prozent« der ungarischen Ausführungen akzeptiert habe.

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