Lebensmittel für den Müll
Elf Millionen Tonnen landen in Deutschland alljährlich im Abfall
Während jeder siebte Erdenbürger nicht genügend zu essen hat, wandern in der Bundesrepublik alljährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) vorgestellte Studie der Universität Stuttgart. Um diese gewaltige Menge an Lebensmittelabfällen wegzuschaffen, bräuchte es sage und schreibe 275 000 Sattelschlepper mit einem Ladevolumen von jeweils 40 Tonnen.
Mit den von der Universität Stuttgart ermittelten Zahlen liegt erstmals Datenmaterial zur Lebensmittelverschwendung in Deutschland vor. Die Schätzung der Mengen resultiert aus Hochrechnungen zum Abfallaufkommen und berücksichtigt Versorgungsbilanzen sowie Daten der »Nationalen Verzehrstudie«. Zudem führten die Studienautoren Befragungen und Stichproben durch. Statistisch gesehen, wirft jeder Bundesbürger im Jahr 81,6 Kilo Lebensmittel in den Müll, wovon die Studie 53 Kilo als »vermeidbar« einstuft. Vermeidbar seien Abfälle, so die Stuttgarter, »die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch uneingeschränkt genießbar gewesen wären«. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser Verschwendung sind enorm: Die Studie schätzt sie auf mehr als 21 Milliarden Euro pro Jahr.
Verschwender Nummer eins sind die Privathaushalte: Etwa 61 Prozent oder 6,7 Millionen Tonnen landen in den Hausmülleimern zwischen Kap Arkona und Garmisch-Partenkirchen. Wobei Obst und Gemüse mit rund 44 Prozent den Großteil der weggeworfenen Nahrungsmittel ausmachen. Mit großem Abstand folgen Industrie und Handel: Sie sind für 22 Prozent der Lebensmittelabfälle verantwortlich. Die restlichen 17 Prozent bzw. 1,9 Millionen Tonnen Müll entfallen auf Großverbraucher, also Gaststätten, Hotels oder Schulen.
Insbesondere bei den Zahlen für Handel und Industrie ist Vorsicht geboten. So heißt es in der Studie, dass hier große »Datenlücken« existierten. Trotz dieser Lücken bleiben die Schätzungen der Stuttgarter sehr vorsichtig. Dabei müssen selbst die Studienautoren eingestehen, dass Industrie und Handel anstatt der nun geschätzten 2,45 Millionen auch mehr als neun Millionen Tonnen zu verantworten haben könnten.
Wie dem auch sei: Ministerin Aigner will die Studie nutzen, um ein »Bewusstsein für die Wertschätzung von Lebensmitteln« zu schaffen«, wie sie gestern betonte. Dafür will ihr Ministerium die Kampagne »Zu gut für die Tonne« starten.
Kritik kam gestern von den Umweltverbänden. Sie warfen Aigner mangelnde Konsequenz vor. So kritisierte Greenpeace die Unvollständigkeit der Studie und forderte, die Lebensmittelverluste in der Landwirtschaft genauer untersuchen zu lassen.
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