Das digitale Blättern
Allmählich kommen E-Books bei deutschen Lesern an. Aber die Preise!
Der US-amerikanische Autor Jonathan Franzen sprach Ende Januar beim Hay Festival in Cartagena, Kolumbien, ein Lob auf das gedruckte Buch aus: »Eine Technik, die ich zu schätzen weiß, ist die Taschenbuchausgabe meines Romans ›Freiheit‹. Ich kann Wasser darauf schütten und das Buch funktioniert immer noch.« Es sei eine ziemlich gute Technik, und sie werde auch in zehn Jahren noch funktionieren. »Kein Wunder, dass Kapitalisten sie hassen - es ist ein schlechtes Geschäftsmodell«.
Franzen redet damit allerdings an einem beachtlichen Teil der Leser in den USA vorbei - denn die sind von E-Books begeistert. Auf der »Digital Book World Conference« 2012 in New York erklärte Madeline McIntosh von Random House, dass bis 2015 die Hälfte der verkauften Bücher des Verlages vermutlich E-Books sein dürften. Jeder dritte amerikanische Erwachsene besitzt ein Tablet oder einen E-Book-Reader - und ist damit potenzieller E-Book-Kunde.
Bis vor kurzem galt Deutschland nicht als lukrativer Markt. Doch in den letzten Monaten hat sich die Lage deutlich geändert. »Das E-Book ist jetzt in Deutschland angekommen«, sagt Ronald Schild, Geschäftsführer der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, die auch die E-Book-Plattform libreka! betreibt. Grund war das Weihnachtsgeschäft, bei dem Lesegeräte wie die von Thalia, Sony, Kobo oder Amazon sehr erfolgreich liefen. »Der Amazon Kindle ist das meistgekaufte Produkt des Jahres 2011«, bestätigt Veronika von Bredow, die PR Managerin Kindle.
Dabei ist das Angebot an deutschsprachigen E-Books eher dürftig. Der Thalia eBook-Shop bietet etwas mehr als 100 000 deutschsprachige E-Books an, bei Amazon.de sind es etwa 75 000. Zum Vergleich: Amazon.de bietet allein knapp 60 000 gedruckte Krimis an. Ronald Schild ist überzeugt, dass sich das Angebot deutlich erweitern wird - da die großen Verlage inzwischen ihre Neuerscheinungen in der Regel auch als E-Books veröffentlichen.
Ein Problem beim Absatz ist die Preiserwartung der Leser. Der Berlin Story Verlag erfuhr dies, als er jüngst die Kunden darüber bestimmen ließ, was sie für das erste E-Book des Verlags bezahlen möchten. Zwar wurde die Aktion von den Preisbindungstreuhändlern angemahnt, weil in Deutschland nur der Verlag den Preis bestimmen darf - dennoch war das Ergebnis eindeutig: »Die Leser wünschen sich, dass E-Books entweder gleich mit den gedruckten Büchern pauschal angeboten werden oder dass sie rund die Hälfte der gedruckten Ausgaben kosten«, sagt Geschäftsführer Enno Lenze.
Letzteres ist allerdings nicht realistisch. Die bei E-Books eingesparten Druckkosten machen nur rund zehn Prozent des Buchpreises aus - gleichzeitig müssen E-Books mit 19 Prozent besteuert werden, im Gegensatz zu sieben Prozent bei gedruckten Büchern. »Ich halte die Preisgestaltung der E-Books für gerechtfertigt«, sagt Ralf Tornow, Leiter Digitalbuch bei Rowohlt. »Ein Hauptproblem ist zudem, dass die durchschnittlichen Preise für gedruckte Bücher in den letzten zehn Jahren kaum gestiegen sind, sprich Bücher sind eigentlich zu günstig.« E-Books werden also kaum billiger werden - und es wird dauern, bis das bei den Lesern ankommt.
Vermutlich werden E-Books also eher über Zusatzangebote punkten. Matthias Aichele von der Unternehmensentwicklung bei Random House, sieht darin großes Potenzial: »Es entstehen vielfältige neue Möglichkeiten für das Lesen selbst: Menschen tauschen sich aus über und in den Büchern, die sie lesen, sie markieren und kommentieren Textpassagen.«
In den USA gibt es erfolgreiche Vorlese-Apps wie »A Story Before Bed«. Dieses App ermöglicht Eltern, eine Lesung auf Video aufzunehmen und in ein E-Book zu integrieren. Besonders beim US-Militär ist es beliebt - Soldaten können während des Auslandeinsatzes bei ihren Kindern präsent bleiben.
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