Ungarn lernt von Stuttgart 21
Neues aus der Umwelt- und Demokratiepolitik
Vom umweltpolitischen Wahnsinn abgesehen, ist der Vorgang bezeichnend für die Rechtswillkür im heutigen Ungarn. Die Zeitung »Népszabadság« zitierte dazu brisante Akten. Demnach beantragte das Parlament beim 5. Budapester Bezirk, wo es beheimatet ist, eine Rodungserlaubnis, die binnen Tagesfrist gewährt wurde. Am nämlichen Tag wurden alle üblichen Formalitäten - Gutachterbegehung, Gebietsbesichtigung etc. - erledigt und der offizielle Bescheid verfasst.
Nach ungarischem Recht hätte gegen diesen Entscheid binnen 15 Tagen Berufung eingelegt werden können. Doch Rodungs- und Baugenehmigung wurden nur dem Antragsteller, also dem Parlament, und dem Archiv der genehmigenden Behörde zugestellt. Folglich erfuhr niemand sonst überhaupt von diesem Bescheid. Wie »Nép-szabadság« elegant formulierte: »Die Behörde betrachtete nicht einmal die Anrainer als Partei«, und umging auf diese Weise deren Anhörung. Das Gesuch um die Abholzung der Bäume war schon einen Tag vor der rechtskräftigen Baugenehmigung eingereicht worden. Zwischen der Genehmigung und der Abholzung vergingen nur vier statt der 15 als Berufungsfrist vorgeschriebenen Tage. Der Demokratieabbau verläuft in Ungarn eben schneller als es das hinderliche Recht erlaubt.
Die letzte offiziell so genannte »größere« Grünfläche der ungarischen Innenstadt wurde also beseitigt, ohne dass jemand zuvor davon wusste. Das darf getrost als weiterer Beweis für die von Ministerpräsident Viktor Orbán Tag für Tag wiederholte Behauptung gelten, dass das heutige Ungarn den »europäischen Normen« in jeder Hinsicht entspricht. Denn in Budapest hat man unzweifelhaft von Stuttgart 21 gelernt.
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