Britanniens Kassenwart spart - aber nicht bei den Reichen
Haushaltsrede für Millionen oder für Millionäre?
Finanzminister George Osborne will Britannien voranbringen, Millionen soll es besser gehen. Also werden Reichen- und Firmensteuern reduziert, Rentner zur Kasse gebeten und weitere noch ungenannte Sozialkürzungen angedroht. Oppositionsführer Ed Miliband sieht die Lage nüchterner: Osborne habe einen »Haushalt für Millionäre« vorgelegt. Der Wahlkampfslogan von Regierungschef David Cameron - »Wir sitzen alle in einem Boot« - sei damit fortan Makulatur.
Zugegeben: Auch ein Labour-Kassenwart hätte es bei einem hohen Staatsdefizit, 8,4 Prozent Arbeitslosen - die höchste Zahl seit der letzten Tory-Regierung vor 17 Jahren - und nur 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum nicht leicht. Im kommenden Jahr wird sich die Neuverschuldung nach Osbornes Rechnung auf 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen. Die Arbeitsplatzverluste im öffentlichen Dienst sind von Cameron und Osborne jedoch geradezu gewollt, und Arbeitslose zahlen eben weder Lohnsteuer noch Sozialversicherung, sie kaufen weniger, die Nachfrage sinkt. Kurz, durch Unfähigkeit oder Böswilligkeit der Regierenden geht die Rechnung nicht auf. Wer soll für die Fehler bluten?
Die Reichen nicht, das ist klar. Wer mehr als 150 000 Pfund (also etwa 180 000 Euro) im Jahr verdient, zahlt darauf im Augenblick 50 Prozent Steuern, ab April 2013 nur noch 45 Prozent. Die Wohlhabenden sollen wohl durch Steuergeschenke zur Mehrarbeit motiviert werden.
Britische Firmen zahlen offenbar auch zu viel, die Unternehmenssteuer soll von 26 auf 24 Prozent, 2014 gar auf 22 Prozent gesenkt werden. Zwar wird auch die Grenze der Steuerfreiheit auf ein Jahreseinkommen von umgerechnet 11 000 Euro erhöht. Das helfe den Armen, frohlocken die Liberalen, die Koalitionspartner der Konservativen. Aber den Reichen noch viel mehr. Und die Rentner sind von dieser Wohltat ausgenommen. Die höhere »Oma-Steuer« könnte die Tories allerdings teuer zu stehen kommen, denn diese Gruppe geht üblicherweise fleißig an die Wahlurne.
Jungen Arbeitslosen - 25 Prozent, in den Innenstädten 40 Prozent ihrer Altersgruppe - wird Hilfe entzogen. Sie sollen dadurch zur Mehrarbeit motiviert werden, dass die Tories sie noch ärmer machen. Das ist reiner Klassenkampf von oben. Wenn er aber alle sozialen Grausamkeiten am Anfang seiner Amtszeit konzentriert, sind sie bis zur nächsten Parlamentswahl vergessen, mag Osborne gedacht haben.
Oppositionschef Ed Miliband kritisierte die soziale Schlagseite des Haushalts heftig. »Der Mittelstand zahlt höhere Strom- und Spritkosten, Familiensubventionen und Kindergeld werden gekürzt - und Sie bieten den Reichsten im Lande Steuersenkungen?« Das seien Prioritäten, die sich selbst entlarvten. Armen Arbeitern, die nur den gesetzlichen Mindestlohn bekommen, werde es schlechter gehen, beschwor Miliband. Und auf Osbornes Beteuerung, die Reichensteuer bringe ohnehin wegen Lücken in der Gesetzgebung nur relativ wenig ein, schrien Labours Hinterbänkler: Dann soll man die Löcher eben stopfen. Das versprach Osborne, aber ob sich der Millionärssohn daran hält?
Fazit: Politisch und wirtschaftlich spielen die Konservativen Vabanque. Wenn Osborne Glück hat und die Labour Party weiterhin eine so miese Presse bekommt, kann seine politische Kalkulation aufgehen. Denn wahrscheinlich rechnet er damit, das Premiersamt seines besten Freundes David Cameron zu erben, wenn der nach einem weiteren Triumph zurücktritt. Doch Träume sind Schäume. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Kalkulationen auf Sand gebaut sind, dass die Reichen nicht aus freien Stücken mehr an den Staat abführen, dass die Arbeitslosenquote weiter steigt und dass das Unsoziale der Tory-Maßnahmen ihren Schöpfer unter sich begräbt.
Eine Haushaltsrede für Millionäre warf Miliband den Tories vor. Doch sind die meisten Wähler keine Millionäre - und wohl auch keine Dummköpfe.
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