Abschaffen? Nicht heute!

Antrag der LINKEN gegen Abkassieren der Patienten scheiterte

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, über die Abschaffung der Praxisgebühr sofort abzustimmen, endete gestern mit der Überweisung in die Ausschüsse. Lediglich die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen sprachen sich für das Anliegen ihrer Oppositionskollegen aus.
Abschaffen? Nicht heute!

Es hätte so schön sein können: Außer der Union stimmen alle Bundestagsparteien für die Abschaffung der Praxisgebühr, die seit 2004 alle ärgert und gegen die sich in den letzten Tagen außer der CDU und der CSU - man könnte sie als die Eltern dieses ungeliebten Kindes bezeichnen - nahezu alle Parteien ausgesprochen haben. Sofort und vollkommen unbürokratisch - die LINKE hatte einen entsprechenden Antrag vorbereitet.

Doch es ist selten schön in diesem Plenarsaal und deswegen flogen auch bei der Diskussion um diesen Antrag und die Praxisgebühr, über deren Nutzlosigkeit sich angeblich alle einig sind, die Fetzen. Das Papier begründete die Abschaffung der Praxisgebühr damit, dass sie nicht dazu geführt hätte, unnötige Arztbesuche zu reduzieren. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt: Einige Versicherte verzichten auf Arztbesuche, auch auf notwendige. Dies betreffe vor allem Geringverdienende. Der Verzicht auf notwendige Arztbesuche könne aber zur Verschleppung von Krankheiten, negativen Folgen für die Gesundheit und auch zu Zusatzkosten führen.

Ein weiterer Grund ist der bürokratische Aufwand für die Arztpraxen. Die hierfür verwendete Zeit steht nicht zur Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Die zusätzlichen Einnahmen, so die LINKE, beliefen sich derzeit auf etwa 1,9 Milliarden Euro pro Jahr, das sei ein Finanzierungsbeitrag von rund einem Prozent.

Fraktionschef Gregor Gysi zeigte sich ausgesprochen verwundert darüber, dass die FDP in zwei Bundesländern vor Landtagswahlen mit der Abschaffung der Praxisgebühr wirbt, ohne dies im Bund wirklich voranzutreiben. »Ich dachte ja, ich spinne«, rief er überrascht aus. Mehr Wahlkampf könne man sich ja nun wirklich nicht vorstellen. Dass die Union keine Sekunde bereit war, diesen Antrag ernst zu nehmen, machte Jens Spahn für die CDU deutlich. Mit »Klamauk« und »typischer Gysi«, »aber wenig Substanz in der Sache« qualifizierte er die Initiative der Linksfraktion ab und warf ihr seinerseits Wahlkampf vor, weil sie die Abschaffung der Praxisgebühr ausgerechnet vor dem Wahlkampf im Saarland fordere.

So viel Ignoranz ist schwer zu toppen. Der SPD gelang es dennoch mit der Bemerkung ihres Fraktionsmitgliedes Edgar Franke, die LINKE habe hier einen populistischen Antrag vorgelegt, aus dem seine Partei erst einmal etwas rechtes machen müsste: Einen populären und ausgereiften Antrag auf Abschaffung der Praxisgebühr, auf den man noch zwei Wochen warten müsse.

»In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ist nichts enthalten, was eine Ablehnung begründen könnte, wenn man für die Abschaffung der Praxisgebühr ist«, kommentiert die LINKE-Gesundheitsexpertin Martina Bunge. Sie hält die Verweigerung für ein fatales Signal an die Öffentlichkeit. Wenn Abgeordnete das Eine und tun und das Andere sagen oder einem Antrag einfach nicht zustimmen, weil er von der LINKEN kommt, sei dies eine Beschädigung der Demokratie.

Der Antrag der LINKEN wurde in die Ausschüsse überwiesen. Eine sachliche Diskussion über die Praxisgebühr in einer Zeit luxuriöser Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen fand nicht statt.

Siehe auch: Standpunkt von Silvia Ottow. Weg damit

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