»So ist das in der Demokratie«

Grün-Rot in Baden-Württemberg hat der CDU im ersten Regierungsjahr wenig Angriffsfläche geboten

  • Gesa von Leesen, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Jahr regiert Grün-Rot in Baden-Württemberg. Daimler und Porsche bauen weiter erfolgreich Autos, im öffentlichen Dienst soll Personal abgebaut werden, auf kommunaler Ebene herrscht weiter die CDU - was hat sich im Ländle eigentlich verändert?

Kurz nach der für den Südwesten historischen Wahl am 27. März 2011, als nach fast 60 Jahren erstmals die CDU aus der Regierung flog, war in manchen Teilen der Bevölkerung eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Jetzt würden die verkrusteten Strukturen auf allen Ebenen aufgebrochen und Menschen ermutigt, sich einzumischen.

Das ist natürlich nicht passiert. Durch die Wahl sind die Einwohner eines der wohlhabendsten Bundesländer ja keine anderen geworden. Winfried Kretschmann kommt mit seiner großväterlichen Art, hinter der sich jahrzehntelange politische Erfahrung und damit Härte verbirgt, gut an. Und nach anfänglichen Streitereien mit der SPD haben sich die Koalitionspartner zusammengerauft. Die größte Hürde für ein gemeinsames Regieren war Stuttgart 21. Die SPD war und ist dafür, die Grünen waren dagegen. Gelöst hat man das Problem mit der Volksabstimmung, in der sich fast zwei Drittel der Baden-Württemberger für den Weiterbau aussprachen. Seitdem wiederholt Kretschmann mantraartig seinen Lieblingsspruch: »So ist das in der Demokratie.« Und hilft der Bahn beim Bauen. In der Protestbewegung gegen den Tiefbahnhof wird er dafür als »Verräter« beschimpft, was er gelassen hinnimmt.

In der Schulpolitik geht Grün-Rot konsequent voran. Im kommenden Schuljahr starten rund 40 Schulen als Gemeinschaftsschulen. Gymnasien, Real- und Hauptschulen laufen parallel weiter. Somit bleibt der Oppositionspartei CDU wenig Angriffsfläche. Dass die Landesregierung die Einnahmenseite erhöht hat, indem sie kurz nach Amtsantritt die Grunderwerbssteuer erhöhte, hat ihr ebenfalls nicht geschadet. Das sei »ein Angriff auf junge Familien«, befanden die Christdemokraten. Aber dass die Mehreinnahmen in die Kinderbetreuung fließen, kommt gut an. Die Studiengebühren hat Grün-Rot ebenfalls bereits abgeschafft, die Wiedereinführung einer echten selbstverwalteten studentischen Mitbestimmung an den Hochschulen lässt allerdings auf sich warten.

Man wolle eine »Politik des Gehörtwerdens« pflegen - auch das gehört zu den Mantras von Winfried Kretschmann. Für Bürgerbeteiligung wurde sogar der neue Posten einer »Staatsrätin für Bürgerbeteiligung« geschaffen. Was die tut, bleibt weitgehend im Verborgenen. Das mit dem »Gehörtwerden« ist ja auch eine schwierige Kiste. Nachdem Kretschmann erklärt hatte, er wolle bei den Beamten sparen, um den Haushalt zu konsolidieren, pfiffen ihn 2500 Staatsdiener aus. Das und die Argumente gegen das Sparprogramm hörte der Ministerpräsident sich zwar an, doch er bleibt bei seinen Plänen. Wahrscheinlich ist das einfach so in der Demokratie.

In puncto Wirtschaft bleibt die grün-rote Landesregierung blass. Das Aufstellen von Windrädern wurde vereinfacht, aber es ist offensichtlich, dass vor allem die Grünen keinen Bezug zu industrieller Arbeit und Arbeitsbeziehungen haben. Hier könnte sich die SPD stärker profilieren. Das Band zu den Gewerkschaften hat man dort wieder enger geknüpft. SPD-Chef Nils Schmid, stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister, versucht derzeit, sich mit der Transfergesellschaft für die Schleckerfrauen zu profilieren. Das aktuelle Jahr hat Schmid zum »Jahr der guten Arbeit« ausgerufen, aktive Industrie- und Strukturpolitik allerdings lässt auf sich warten.

Während dessen berappelt sich die CDU in der Opposition langsam. Sie veranstaltet Diskussionsabende, weil zumindest manche begriffen haben, dass eine Partei ohne Debatten nicht mehr funktioniert. Im Landtag versucht der Fraktionsvorsitzende Peter Hauk, Oppositionspolitik zu machen. Massiv greift er die Landesregierung an, Alternativvorschläge allerdings sind Mangelware. Das fällt noch schwer - auch weil manche ehemalige Regierungsfunktionäre immer noch der Ansicht sind, die Wahl vor einem Jahr sei nur ein Betriebsunfall gewesen.

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