Völkermord ohne Konsequenz
Es ist ein Novum: Ende März hat sich erstmals einer der drei Opferverbände aus Namibia mit einer Pressemitteilung direkt an die deutsche Öffentlichkeit gewandt. Der Stein des Anstoßes: Die Ablehnung der Bundesregierung, endlich die Verantwortung für den Völkermord in Namibia zu übernehmen. Einem Völkermord, dem zwischen 1904 und 1908 rund 65 000 der 80 000 Herero und 10 000 der 20 000 Nama zum Opfer fielen. Unumstrittene Zahlen des Grauens, die die Bundesregierung zwar nicht bestreitet, doch dabei lässt sie es bewenden.
Die Herero-Organisation OCD-1904 hat sich dem Dialog zur Aufarbeitung des Genozids verschrieben, scharfe Töne waren ihre Sache bisher nicht. Die Ablehnung sowohl des Antrages der Linksfraktion, der die Anerkennung des Völkermordes einforderte, als auch des weniger weitgehenden Antrages von SPD/Grünen, der auf die Übernahme der »politischen und moralischen« Verantwortung zielte, hat den Geduldsfaden bei der OCD-1904 reißen lassen. Sie werfen CDU und FDP generell historische Verbindungen zu rassistischen, repressiven Regimen und zugleich konkrete Verbindungen zur kommerziellen Agrarwirtschaft in Namibia vor, die von 4500 deutschstämmigen Farmern beherrscht wird, während sich 130 000 schwarze Kleinbauern mit etwa derselben Fläche begnügen müssen. Das ist starker Tobak, doch wer sich an die Komplizenschaft mit beispielsweise Apartheid-Südafrika und lateinamerikanischen Militärdiktaturen in den 70ern von Pinochet bis Videla erinnert, weiß um die historische Richtigkeit der Vorwürfe gegen Schwarz-Gelb. Dass diese Geschichte und die Gegenwart nicht vergessen wird, dafür will die OCD-1904 mit Unterstützung deutscher Nichtregierungsorganisationen und der Linksfraktion weiter sorgen. Der Vorstoß der OCD-1904 vom 29. März war nur der Anfang. Ein Ende kann es bis zur Anerkennung des Völkermords nicht geben.
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