Schröders Extremismusfalle
Verlangte Unbedenklichkeitserklärung schränkt auch Förderung von Projekten gegen Links ein
Initiativen gegen Nazis und Rassismus sehen ihre Arbeitsgrundlage gefährdet, bei SPD, Grünen und Linkspartei ist sie heftig umstritten: Die wahlweise »Demokratieerklärung« oder Extremismusklausel genannte Pflicht zivilgesellschaftlicher Organisationen, schriftlich zu bekennen, dass sie und ihre Kooperationspartner keine »extremistischen Bestrebungen« hegen. Ohne Unterschrift keine staatlichen Gelder. Gängelung, ideologischer Furor (Was heißt und wer definiert »Extremismus«?), Gefährdung bewährter Projekte - so lauten die Vorwürfe gegen die Klausel.
Als deren Urheberin firmiert Kristina Schröder, CDU, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und, so die liberale »Zeit«, »stramm konservativ sozialisiert«. Für die 35-Jährige ist klar: »Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextremismus«, sind im Kern dasselbe. Weswegen insbesondere Projekte gegen »Linksextremismus« nun viel stärker gefördert werden müssten - und sei es auf Kosten der Projekte gegen rechts.
»Initiative Demokratie stärken« heißt das zentrale von Schröder aufgelegte Programm. Seit 2010 und zunächst bis 2014 laufend, gehe es, so der Jargon des Schröderministeriums, »präventiv gegen Linksextremismus und islamistischen Extremismus« vor.
Doch im Kampf gegen links stellt Schröder sich selbst ein Bein: Die Extremismusklausel behindert offenbar auch jene pädagogischen Modellprojekte »gegen Linksextremismus«, die Schröder im Rahmen ihrer Initiative mit mehreren Millionen Euro pro Jahr fördert. Das geht aus einem »Ergebnisbericht der Wissenschaftlichen Begleitung« dieser Projekte hervor, den das Haus Schröder in Auftrag gab und nun unter Verschluss hält, der jedoch im Internet kursiert.
»Die Einführung der ›Demokratieerklärung‹ erschwert in der Wahrnehmung vieler Projekte ... die Arbeit«, lassen die Autoren, allesamt Wissenschaftler beim Deutschen Jugendinstitut e.V., die Ministerin wissen. Unter den Modellprojekten bestehe nämlich »eine große Unsicherheit, welche Kooperationen sie eingehen können, ohne gegen die ›Demokratieerklärung‹ zu verstoßen«. Will meinen: Was, wenn der geladene Referent zwar »Linksextremismus«-Experte, aber eventuell selber »Linksextremist« nach Schröderscher Definition ist?
Außerdem würden Kritiker der Extremismusklausel eine Zusammenarbeit mit Projektträgern von »Demokratie stärken« zumeist ablehnen: Klausel und »Demokratie«-Initiative werden dem Bericht zufolge »als zwei in engem Bezug zueinander stehende Maßnahmen einer als konservativ wahrgenommenen Politik« des Schröder-Ministeriums gesehen.
Schröders antilinke Modellprojekte werden von vielen potenziellen Partnern als Schmuddelkinder wahrgenommen, soll das wohl heißen. Doch deren Partnersuche wird noch aus einem anderen Grund erschwert: Unklar sei Schröders Projektträgern insbesondere, »wer potenzielle Kooperationspartner als ›linksextrem‹ einstufen kann«, heißt es im Evaluationsbericht. In einem konkreten Fall sei eine Einrichtung von Medien und »ranghohen Politikerinnen und Politikern« auf Landesebene als »linksextrem« eingestuft worden, während die zuständige Stadt zu einer gegenteiligen Einschätzung kam. Würde eine Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung nun einen Verstoß gegen Schröders »Demokratieerklärung« bedeuten - und damit die staatliche Förderung in Frage stellen?
Das genau zu überprüfen, würde »sehr viel Zeit« in Anspruch nehmen, die Projektarbeit behindern und auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern belasten, schreiben die Wissenschaftler. »Hier sind langjährige Kooperationen und Zugänge zu Zielgruppen gefährdet.«
Gefährdet, so wäre zu ergänzen, wird auch Schröders Kreuzzug gegen jene, die die »Extremismus«-Expertin der CDU als zu links ausmacht. Und zwar ausgerechnet durch Schröders Kreuzzug selbst.
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