Werbung

Schröders Extremismusfalle

Verlangte Unbedenklichkeitserklärung schränkt auch Förderung von Projekten gegen Links ein

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder stellt sich selbst ein Bein: Ihre Extremismusklausel, die als »Linksextremisten« ausgemachte Akteure von staatlichen Geldern fern halten soll, behindert ausgerechnet Schröders Modellprojekte »gegen Linksextremismus«.
So präsentiert sich Schröders Vorzeigeprojekt »Initiative Demokratie stärken« im Internet.
So präsentiert sich Schröders Vorzeigeprojekt »Initiative Demokratie stärken« im Internet.

Initiativen gegen Nazis und Rassismus sehen ihre Arbeitsgrundlage gefährdet, bei SPD, Grünen und Linkspartei ist sie heftig umstritten: Die wahlweise »Demokratieerklärung« oder Extremismusklausel genannte Pflicht zivilgesellschaftlicher Organisationen, schriftlich zu bekennen, dass sie und ihre Kooperationspartner keine »extremistischen Bestrebungen« hegen. Ohne Unterschrift keine staatlichen Gelder. Gängelung, ideologischer Furor (Was heißt und wer definiert »Extremismus«?), Gefährdung bewährter Projekte - so lauten die Vorwürfe gegen die Klausel.

Als deren Urheberin firmiert Kristina Schröder, CDU, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und, so die liberale »Zeit«, »stramm konservativ sozialisiert«. Für die 35-Jährige ist klar: »Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextremismus«, sind im Kern dasselbe. Weswegen insbesondere Projekte gegen »Linksextremismus« nun viel stärker gefördert werden müssten - und sei es auf Kosten der Projekte gegen rechts.

»Initiative Demokratie stärken« heißt das zentrale von Schröder aufgelegte Programm. Seit 2010 und zunächst bis 2014 laufend, gehe es, so der Jargon des Schröderministeriums, »präventiv gegen Linksextremismus und islamistischen Extremismus« vor.

Doch im Kampf gegen links stellt Schröder sich selbst ein Bein: Die Extremismusklausel behindert offenbar auch jene pädagogischen Modellprojekte »gegen Linksextremismus«, die Schröder im Rahmen ihrer Initiative mit mehreren Millionen Euro pro Jahr fördert. Das geht aus einem »Ergebnisbericht der Wissenschaftlichen Begleitung« dieser Projekte hervor, den das Haus Schröder in Auftrag gab und nun unter Verschluss hält, der jedoch im Internet kursiert.

»Die Einführung der ›Demokratieerklärung‹ erschwert in der Wahrnehmung vieler Projekte ... die Arbeit«, lassen die Autoren, allesamt Wissenschaftler beim Deutschen Jugendinstitut e.V., die Ministerin wissen. Unter den Modellprojekten bestehe nämlich »eine große Unsicherheit, welche Kooperationen sie eingehen können, ohne gegen die ›Demokratieerklärung‹ zu verstoßen«. Will meinen: Was, wenn der geladene Referent zwar »Linksextremismus«-Experte, aber eventuell selber »Linksextremist« nach Schröderscher Definition ist?

Außerdem würden Kritiker der Extremismusklausel eine Zusammenarbeit mit Projektträgern von »Demokratie stärken« zumeist ablehnen: Klausel und »Demokratie«-Initiative werden dem Bericht zufolge »als zwei in engem Bezug zueinander stehende Maßnahmen einer als konservativ wahrgenommenen Politik« des Schröder-Ministeriums gesehen.

Schröders antilinke Modellprojekte werden von vielen potenziellen Partnern als Schmuddelkinder wahrgenommen, soll das wohl heißen. Doch deren Partnersuche wird noch aus einem anderen Grund erschwert: Unklar sei Schröders Projektträgern insbesondere, »wer potenzielle Kooperationspartner als ›linksextrem‹ einstufen kann«, heißt es im Evaluationsbericht. In einem konkreten Fall sei eine Einrichtung von Medien und »ranghohen Politikerinnen und Politikern« auf Landesebene als »linksextrem« eingestuft worden, während die zuständige Stadt zu einer gegenteiligen Einschätzung kam. Würde eine Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung nun einen Verstoß gegen Schröders »Demokratieerklärung« bedeuten - und damit die staatliche Förderung in Frage stellen?

Das genau zu überprüfen, würde »sehr viel Zeit« in Anspruch nehmen, die Projektarbeit behindern und auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern belasten, schreiben die Wissenschaftler. »Hier sind langjährige Kooperationen und Zugänge zu Zielgruppen gefährdet.«

Gefährdet, so wäre zu ergänzen, wird auch Schröders Kreuzzug gegen jene, die die »Extremismus«-Expertin der CDU als zu links ausmacht. Und zwar ausgerechnet durch Schröders Kreuzzug selbst.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.