Gegen Grass zu weit aus dem Fenster gelehnt?

Der israelische Innenminister hätte Schwierigkeiten, ein Einreiseverbot durchzusetzen

  • Lesedauer: 4 Min.
Israel hätte, gesetzt den Fall, einige Schwierigkeiten, ein Einreiseverbot für Günter Grass durchzusetzen. Das Innenministerium müsste dafür Regierung, Gremien, Gerichte bemühen. Doch die rechtlichen Begründungen, die es anführen könnte, sind äußerst dürftig, eine Niederlage wäre wahrscheinlich.

Israel ist ein Land der harten Worte: Wenn gestritten, diskutiert wird, dann werden auch Dinge gesagt, die in Deutschland zum lebenslangen Ausschluss aus »Kerner« führen würden. In Israel hingegen ist man stolz darauf, so gut wie alles sagen zu dürfen, was einem durch den Kopf geht; als die Politik versuchte, gewisse Äußerungen in den überaus beliebten Foren der israelischen Online-Foren unter Strafe zu stellen, endete das vor zwei Jahren in einem Sturm der Entrüstung, der die Vorlage ins Knesseth-Archiv wehte. Und so dürfen Politiker auch heute noch mit Nazis verglichen werden, und ein Rabbiner namens Owadia Josef darf Araber mit Hunden und Schlangen vergleichen, ohne dass die Polizei Sturm klingelt.

Rabbi Owadia Josef ist übrigens hier besonders erwähnenswert, weil er die spirituelle Leitfigur der religiösen Schas-Partei ist – deren prominentester Politiker wiederum Eli Jischai heißt, Innenminister ist, und sich vor einigen Wochen international einen Namen machte, als er den deutschen Schriftsteller Günter Grass zur Persona non grata erklärte.

Eine Aussage, die bis heute nicht mehr als symbolischen Charakter hat; würde Grass zur Zeit nach Israel einreisen wollen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Grenzbehörden ihm dies gestatten müssten. Denn: Nach Auskunft des Staatlichen Kontrollamtes, einer Art Regierungsaufsicht, hat der Innenminister des Staates Israel nur dann die Befugnis, einer Person die Einreise zu verweigern, wenn diese Person in der Vergangenheit geltendes Recht verletzt hat, an nationalsozialistischen Gewaltverbrechen teil genommen hat oder aber »hinreichende Hinweise« darauf bestehen, dass diese Person während ihres Aufenthaltes Gesetze verletzen könnte. Und: Solche Einreiseverbote müssten mindestens von einem Richter bestätigt werden; alternativ kommt auch ein Kabinettsbeschluss auf der Grundlage der Empfehlung eines Ausschusses in Frage, in dem neben Vertretern von Innen- und Außenministerium auch Juristen und, je nach Fall, Vertreter von externen Organisationen und Institutionen vertreten sind.

Und dies scheint das Innenministerium derzeit vor erhebliche Probleme zu stellen: Man arbeite noch an der Umsetzung des Einreiseverbots, heißt es dort, da Herr Grass wohl derzeit keine Reise nach Israel plane, sehe man auch keine besondere Eile.

Doch Mitarbeiter des Außenministeriums äußern sich hinter vorgehaltener Hand besorgt. »Dieser Vorgang ist ausgesprochen unappetitlich«, sagt ein Diplomat an einer Botschaft im europäischen Ausland: »Grass ist ein Nobelpreisträger, dessen Bücher auch in Israel in den Schulen gelesen worden sind – wir werden tagtäglich mit Menschen konfrontiert, die wissen wollen, wie es denn nun um die Meinungsfreiheit in Israel steht.«

Und so könnte die Angelegenheit Grass zu einer innenpolitischen Affäre werden: Schon jetzt sind viele Israelis genauso erzürnt über die Äußerungen eines ohnehin schon wegen seiner ständigen Versuche, Religion ins öffentliche Leben zu drängen, unbeliebten Innenministers, wie sie sauer über das jüngste Werk des deutschen Schriftstellers sind, und auch Abgeordnete des Likud-Blocks, der Partei von Premierminister Benjamin Netanjahu, äußern sich besorgt über die Vorgehensweise Jischais, der seinen Schritt nicht mit der Regierung abgestimmt hatte und mahnen, möglichst schnell Gras über die Sache wachsen zu lassen.

Beim Innenministerium betont man vermutlich vor allem deshalb, es gehe gar nicht darum, dass hier eine kontroverse Meinung vertreten wird: »Herr Grass hat die Uniform der SS getragen; deshalb ist er in Israel nicht mehr willkommen.«

Aber auch dies würde zu einem Problem werden, falls die Angelegenheit jemals auf der Tagesordnung auftauchen sollte. Denn: Da Günter Grass vor 1928 geboren wurde, musste er vor seinen vergangenen Reisen nach Israel ein Visum beantragen, und nachweisen, dass er nicht an nationalsozialistischen Gewaltverbrechen beteiligt war. Dabei sei zumindest dem Außenministerium die Mitgliedschaft in der Waffen-SS bereits lange, bevor Grass sie selbst öffentlich gemacht hat, bekannt gewesen, heißt es aus dem Außenministerium: »Es gibt in solchen Fällen stets eine ganz genaue Prüfung, an der verschiedene Stellen beteiligt sind; um ihm nun ein Visum zu verweigern, müssten neue Erkenntnisse vorliegen, worauf es aber keine Hinweise gibt.«

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