Auf dem Weg zum Schweinegürtel?

Neue Pläne für Mastanlagen sorgen in Vorpommern für Ärger

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Während bereits beim Bau der umstrittenen »Ferkelfabrik« in Alt Tellin Regelverstöße angemahnt werden müssen, hat der niederländische Investor die Erweiterung einer älteren Anlage in Vorpommern beantragt. Dort war es vor fünf Jahren zu einem handfesten Tierschutzskandal gekommen.

»Europas größte Ferkelfabrik«, die der niederländische Agrarinvestor Adrian Staathoff bei Alt Tellin im Ex-Landkreis Demmin derzeit errichten lässt, ist im Nordosten zu einiger Prominenz gelangt. Die Schweriner Linksfraktion hat das Vorhaben, 250 000 Ferkeln pro Jahr aufzuziehen, zum Anlass eines Antrages genommen. Auch für Agraranlagen dieser Größe sollen in Zukunft obligatorische Raumordnungsverfahren eingeführt werden, weil sie anliegende Wirtschaftsinteressen beeinträchtigen könnten. Grünen-Frontfrau Claudia Roth fuhr im Landtagswahlkampf eigens nach Alt Tellin, um den Protest gegen diese Form von Tierproduktion zu stützen.

Konkret geholfen hat freilich beides nicht - und nun plant der Investor schon den nächsten Riesenstall. Straathoff möchte seine bereits bestehenden Anlagen im nahegelegenen Medow erheblich ausbauen. Dort dürfen jetzt bereits fast 20 000 Schweine gemästet werden, nun sollen weitere 13 000 hinzukommen. Die Anlage würde dann über 32 000 Mastplätze verfügen. Das Verfahren nach dem Immissionsschutzgesetz, das für solche Anlagen die wesentliche gesetzliche Hürde darstellt, hat jetzt begonnen. Ist es erfolgreich, hilft es der Gemeinde wenig, dass die Kommunalvertretung bereits im Herbst einen Bebauungsplan für die Erweiterung abgelehnt hat und dass laut einer jüngsten Bürgerumfrage in dem kleinen Ort 172 Ortsansässige die Anlage ablehnten und nur 87 sie begrüßen. Jetzt haben die Anwohner noch bis 5. Mai Zeit, Einwendungen an das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt in Stralsund zu richten. Die Bürgerinitiative »Rettet das Landleben am Tollensetal«, die sich gegen die Anlage in Alt Tellin wendet, will parallel beraten, ob sie ihre Aktivitäten auf Medow ausweitet.

Zu viele Tiere

Der bereits bestehende Teil der dortigen Mastanlage stand in den letzten Jahren wiederholt wegen Verstößen im Tierschutz und bei Umweltauflagen in der Kritik. Im Sommer 2007 war bei einer amtlichen Zählung festgestellt worden, dass Straathoff die Medower Anlage bereits in ihrem ersten Jahr um rund ein Drittel überbelegen lassen hatte. Statt der damals erlaubten 15 000 standen 22 000 Schweine in den Boxen, Anwohner berichteten von Gestank und Kadaverbergen vor der Anlage, BUND-Chef Hubert Weiger reiste zum Protest an. Kurz nach diesem Tierschutzskandal beantragte Straathoff die Anlage in Alt Tellin - was das spezielle Misstrauen erklärt, das dem Investor in Vorpommern inzwischen vor Ort entgegenschlägt.

Die Berichterstattung im regionalen »Nordkurier« ist inzwischen durchgängig sehr kritisch, die Kreisbehörden von Vorpommern-Greifswald sehen bereits bei der Alt Telliner Baustelle erheblichen Überwachungs- und Kontrollbedarf. Derzeit geht es dabei u.a. um eine Rohrleitung unbekannten Zweckes, die offenbar von der Baustelle unter dem benachbarten Acker in die Bäke und letztlich die Tollense führt - und wohl nicht genehmigt ist. Doch während das wachende Auge des Kreises inzwischen selbst von den Stallungsgegnern gelobt wird, hat eine Mehrheit im Kreistag gerade einen Antrag der LINKEN von der Tagesordnung gekegelt, nach dem die überbeschäftigten Kontrollbehörden bei der Überwachung der Baustelle zusätzliche Unterstützung bekommen sollten.

Dass nun ausgerechnet an die Skandal-Anlage in Medow angebaut werden soll, bestätigt den Alt Telliner Initiativensprecher in seinen Befürchtungen: »Weitere Mastanlagen im fünfstelligen Bereich sollen folgen«, sagt Jörg Kröger, »der 'Schweinegürtel' im Hinterland der touristischen Zentren nimmt Gestalt an.« Er wisse nicht, ob das noch aufzuhalten sei, aber der Versuch müsse gemacht werden.

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